Brans Reise
war kleiner als Dielan, der selbst nicht sonderlich groß war, und hatte einen schlanken Körper. »Sie ist eine gute Wahl«, hatte Vater gesagt, als Dielan sie von seiner Reise nach Kajmen mitgebracht hatte. Der alte Febal dachte immer so vernünftig. »Sie ist freundlich, und ihr kleiner Körper braucht sicher nicht viel zu essen.«
»Meinst du nicht auch, dass es sich leicht rudern lässt, Bran?«
Bran schrak aus seinen Erinnerungen auf und war mit einem Mal wieder zurück im Boot. »Doch«, sagte er, »lässt sich leicht rudern. Ich hoffe nur, es leckt nicht zu stark.« Erneut sah er zu den Bodenplanken hinab. Das Wasser hatte sich in einer kleinen Pfütze entlang des Kielbalkens gesammelt. »Wir müssen bald ösen«, murmelte er. Die anderen Boote lagen in einem unregelmäßigen Halbkreis hinter ihnen, das erste nur wenige Mannslängen hinter Gwen. Die spitzen Bugsteven schwankten von Seite zu Seite, denn jetzt hatten die Wellen zu drehen begonnen und kamen wie der Wind aus Norden. Er konnte erkennen, wie Hagdar die anderen Boote beobachtete. Das Land hinter ihm lag bereits in weiter Ferne, doch noch konnte Bran die Kerbe in den Dünen erkennen, durch die der Bach floss. Er sah den Pfad zwischen den Graspolstern und die leicht gekrümmte Frau auf der Spitze der Düne. Viani hatte sich entschieden, an Nojs Grab zu bleiben, und niemandem, nicht einmal Turvi, war es gelungen, sie davon abzubringen.
Bran trieb das Ruder durch das Wasser. Jetzt verstand er, was Turvi meinte, wenn er von der neuen Zeit sprach.
Als die Sonne tief stand und das Land im Westen nur mehr ein grauer Streifen unter dem Himmel war, zog Bran das Ruder ein und bat Dielan, das Gleiche zu tun. Bald darauf machten die anderen Boote an ihrer Seite fest. Die Bootskörper bildeten einen schwimmenden Zirkel, der die Wellen brach und den Wasserspiegel in seinem Inneren schwarz und glatt werden ließ. Die Männer berieten über Wind und Strömungen, nahmen einen Schluck aus den Wassertonnen und kauten ein wenig Stockfisch. Bran ging zu Hagdar hinüber, der zwei Boote von ihm entfernt festgemacht hatte. Der große Mann grüßte ihn und reichte ihm die Hand, als er an Bord kletterte.
»Na, Bran, müde Arme?« Er lachte und kratzte mit dem Öseimer am Kielbalken entlang, kippte das Wasser über Bord und machte Platz auf der mittleren Ruderbank. Bran nickte Ken zu, der die Knoten nachzog, mit denen das Segeltuch am Dollbord befestigt war. Narie und Linvi saßen rechts und links vom Bugsteven und flochten Taue aus Wollfäden. Die Kinder der beiden Familien waren unter das Segeltuch gekrabbelt und spielten mit Zapfentieren und Lederresten. Bran kratzte sich hinterm Ohr.
»Und wie ist es mit dir, Hagdar?« Er zwinkerte in die Abendsonne. »Dielan und ich sind den ganzen Tag vorausgefahren! Du hast wohl jemanden gefunden, der dich geschleppt hat!«
Hagdar lehnte sich nach hinten und brüllte vor Lachen. Bran lächelte und setzte sich neben ihn. Er sprach gerne mit Hagdar. Der kräftige Mann nahm nichts zu ernst; er war wirklich das vollkommene Gegenstück zu Dielan. Und Bran brauchte jetzt jemanden, der lachen konnte, denn ihm selbst war nicht danach zumute.
»Ja, ja…« Hagdar wischte sich die Augen trocken, schnupperte in den Wind und stützte sich auf das Dollbord. »Das gute Wetter scheint zu halten. Heute Nacht können wir ruhig schlafen.«
Bran wandte sich nach Osten. Die Wolken bildeten ganz oben am Himmel weiße Streifen. Die Wellen, die die Boote mit der Strömung hoben und senkten, schienen flacher zu werden, je näher sie dem Horizont kamen, bis das Meer ganz hinten glatt wie eine platt getrampelte Ebene unter der Wölbung des Himmels dalag.
»Glaubst du, wir treiben in die richtige Richtung?«, fragte Bran. Er warf einen Blick über die Schulter, doch das Land im Westen war zu weit entfernt, um zu erkennen, in welche Richtung sie trieben.
»Es scheint zu stimmen.« Hagdar tauchte seinen Zeigefinger ins Wasser, doch er zog seine Hand schon bald wieder zurück. »Die Strömung geht nach Süden und ich glaube, wir treiben mit ihr.«
Da erklang eine Kinderstimme, dicht gefolgt von einem Platschen. Hagdar fluchte. Bran drehte sich um und sah den Sohn von Nosser mitten zwischen den Booten. Der Junge grinste mit seinen leuchtenden Milchzähnen, strampelte durch das Wasser und schob sich seine roten Haare aus den Augen. Nosser hing über dem Dollbord und winkte ihn mit den wildesten Gebärden zurück zum Boot. Die Männer in den anderen
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