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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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schmerzte. Aus einem der Boote streckten sich ihm zwei Hände entgegen, legten sich um das Tau und begannen zu ziehen, doch der Hai kämpfte dagegen an. Bran zerrte an der Seilschlinge, die sich um sein Bein gelegt hatte. Dann tastete er nach dem Messer in seinem Gürtel, zog es heraus und begann das Seil zu durchtrennen. Ein Hai strich über seinem Kopf vorbei. Das letzte bisschen Luft entwich in Blasen aus seinem Mund. Er krümmte sich am Seil zusammen und bewegte das Messer blind hin und her. Als es zerriss, wurde es vollends dunkel, und er spürte nur noch Fischschwänze und Flossen. Sie schlugen gegen seinen Körper und jagten ihn an die Oberfläche. Das Seil ruckte im Takt nach oben und der Druck in seinem Kopf löste sich. Dann packte ihn etwas unter den Armen. Er spuckte Wasser und seine Brust zog sich zusammen und rang nach Atem.
    »Er hat überlebt«, hörte er. »Unglaublich.«
    Dann eine andere Stimme: »Berav muss ihm zur Seite gestanden haben. Seht doch die Haie dort unten. Es sind so viele…«
    Bran blinzelte den Gesichtern über sich entgegen. Hagdar, Linvi, Dielan; sie wurden zu undeutlichen Schatten über ihm, Schatten, die unter dem Himmel entschwanden. Das Boot glitt unter ihm weg, das Meer beruhigte sich und wurde zur Erde. Er war wieder in den Bergen, an dem See im Blåkranstal. Er lag noch immer auf dem Rücken, doch jetzt war er ein kleiner Junge. Und Vater, der alte Febal, hatte sich über ihn gebeugt.
    »Was hast du gemacht, Junge?« Vater biss die Zähne zusammen und zog die Oberlippe unter seinen grau melierten Bart. Bran spürte die Faust in seinem Nacken, bevor er am Kragen in die Höhe gehoben wurde. »Du verdammter Bengel! Hast du alle meine Pfeile verschossen?«
    Bran ließ seinen Blick über das Lager schweifen. Velar und Dielan saßen am Feuer. Dielan weinte und versuchte sich unter den Decken zu verstecken, doch Velar kam sich in seiner neuen Lederweste wichtig und erwachsen vor, obgleich er erst fünf Winter alt war.
    »Er hat sie in den See geschossen, Febal. Ich hab das gesehen! Dielan hat auch mitgemacht, ich aber nicht!« Velar zeigte auf den dunkel daliegenden See, an dessen nördlichem Ende sich die Enten beim Schilf versammelt hatten. Hier am Südende waren die Ufer steil und felsig. Vaters Pfeilköcher lag noch immer auf dem Vorsprung der Steinhalde. Von dort hatte Bran auf Moospolster geschossen, während Vater am Feuer geschlafen hatte. Dielan hatte die Polster aufs Wasser geworfen und Bran hatte mit seinem neuen Bogen, den er von Karain bekommen hatte, darauf geschossen.
    »Ich wollte nur den Bogen ausprobieren…«
    Vater schlug, und dieses Mal nicht mit der flachen Hand, sondern mit der Faust. Bran wurde nach vorne gestoßen, stürzte zwischen Velar und Dielan zu Boden und rollte auf die Steinhalde. Er schniefte das Blut ein, stand auf und ballte die Fäuste. Er wollte sich nicht fügen, nicht jetzt, da Velar zusah. Bran kletterte die Steinhalde hoch. Vater wartete am Lager.
    »Hast du noch nicht genug?« Er lachte.
    Bran sprang ihn an, schlug ihm in den Bauch und trat gegen seine Beine, doch Vater hob ihn hoch und trug ihn bis zu dem Felsvorsprung.
    »Jetzt kannst du rausschwimmen und sie wiederholen, Bran! Das geschieht dir recht.« Er hob ihn an einem Arm und einem Bein noch weiter in die Höhe und warf ihn in das tiefschwarze Wasser.
    Bran sank weit unter die Wasserlilien. Er spürte die Stängel der Pflanzen an Armen und Wangen. Zuerst wollte er einfach nur sinken. Er wollte ertrinken, sollte Vater doch bereuen, was er getan hatte. Doch dann spürte er etwas unter seinen Füßen, das sich wie eine Mischung aus Spinnweben und Schlamm anfühlte. Um ihn herum waren verfaulte Wurzeln, Schlamm und Tiere, und er schrie, so dass Luftblasen aus seinem Mund nach oben stiegen. Er schlug mit den Armen und trat wild um sich – er musste fort von dem Tod hier unten.
    Dann durchbrach er die Wasseroberfläche, schnappte nach Luft und riss die Augen auf.
    »Schwimm ins Schilf und hol die Pfeile wieder hoch!« Vater stand auf der Steinhalde und deutete zum Schilf hinüber. »Fünfzehn Stück, Bran. Zehn und dann noch einmal fünf. Erinnerst du dich, was ich dir über die Zahlen gesagt habe?«
    Bran schwamm nicht ins Schilf. Er platschte vor Vaters Füßen ans Land. »Ich trau mich nicht«, flüsterte er, denn er wollte nicht, dass Velar und Dielan das hörten.
    »Du traust dich nicht!« Vater packte ihn am Kragen, watete mit ihm ins Wasser hinaus und tauchte seinen Kopf unter.

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