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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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zu lauschen. Und dem Meer.«
    »Dem Meer…« Bran fasste sich an die Stirn und hörte wieder das Dröhnen der Wellen, als versuchten sie, das Land mit roher Kraft zu zerschmettern. »Wenn ich über die Wellen schaue, denke ich, dass Berge und Ebenen besser sind. Erde und Steine liegen ruhig unter den Füßen.«
    »Aber du hast geträumt.« Turvi deutete über den Strand und auf die Klippen im Süden.
    Bran sah wieder die Bilder aus seinem Traum. Er hatte elf Boote gesehen, die vom Wind getrieben vom Strand ablegten. Dann hatte er Krett und den Blutsund hinter einer Flut von Wellen gesehen. Danach Wellen und Meer in allen Richtungen. Und zum Schluss – einen Körper ohne Gesicht, der an einem schwarzen Strand in den Wellen trieb.
    »Ja, ich habe geträumt. Aber es war nicht mein Wunsch, Häuptling zu werden.«
    »Berav hat dich auserwählt. Ich glaube, du verstehst das…« Turvi versuchte, sich mit Hilfe seiner Krücke aufzurichten. »Denn sonst wärst du nicht so schnell geschwommen! So ist das mit uns allen: Wir suchen uns unser Schicksal nicht selbst aus.«
    Der Alte stöhnte, als das Bein unter dem Gewicht seines Körpers nachgab. Bran packte ihn unter dem Arm und half ihm hoch.

Durch den Blutsund
     
    F ünf Tage nach Nojs Tod drehte der Wind. Die Sturmböen aus dem Osten, die seit einem Monat über das Meer gefegt waren, ebbten ab und machten einer milden Brise aus dem Norden Platz. Bran verkündete seinem Volk, die Zeit sei reif, aufzubrechen, und ließ seine Männer die Tonnen und Wassersäcke im Bach füllen. Sie rollten Pelze und Decken zusammen und verstauten alles in den Booten. Hagdar, der seit vielen Sommern die Meere bereiste und oft an der Ostküste überwintert hatte, zurrte die Seile an den Querbäumen fest. Er trat ein letztes Mal gegen die Steuerriemen, um zu überprüfen, ob sie auch wirklich fest saßen, und zerrte an den Stagen, die den Mast hielten. Bran achtete darauf, dass die Männer ihre Pfeilköcher und Bögen an den Bootswänden befestigt hatten, damit sie sie erreichen konnten, wenn sie auf der Ruderbank saßen. Dann hob er die Hand, deutete auf das Meer hinaus und gab das Zeichen, die Boote zu wassern.
    Als die Wellen die Rümpfe umspülten, sprang das Felsenvolk an Bord und schob die Ruder hinaus. Das Meer brachte sie rasch in tieferes Wasser, und nach nur wenigen Ruderschlägen hatten die elf Boote die Brandungszone hinter sich. Als Häuptling ruderte Bran im ersten Boot, damit er den Kurs wiedererkannte, den er geträumt hatte. Er saß neben Dielan auf der mittleren Ruderbank, denn die Boote, die sie gebaut hatten, waren schwer und wurden am besten von zwei Männern gerudert. Gwen hielt das Steuer und Konvai schlief bereits unter dem Segeltuch vor dem Mast.
    Bran warf einen Blick auf die Bodenplanken und sah dann zu den anderen Booten hinüber. Er hoffte, das Harz würde das Wasser daran hindern einzudringen. Die Männer waren mit den Booten um die Schäre gerudert, um sie nach undichten Spalten zu untersuchen, doch erst nach vielen Tagen auf dem Meer konnten sie wirklich sicher sein, dass das Harz hielt. Hagdar ruderte im letzten Boot und würde seinen Hammer gegen ein Eisenschild schlagen, wenn er bemerkte, dass jemand zu sinken begann. Von seinem Platz aus sah er nur seinen haarigen Rücken, der sich wuchtig über die Riemen krümmte. Die Wellen waren an diesem Tag niedrig und teilten sich sanft vor den aufbrechenden Booten. Die geschnitzten Tierköpfe am Bug streckten sich auf langen Hälsen nach oben und schauten trotzig aufs Meer hinaus. Die Ruder peitschen das Wasser im Takt, wie riesige Schwanenfüße, die aus den schlanken Bootskörpern herausragten. Erneut warf er einen Blick auf den Boden des Bootes. Zwischen einigen wenigen Planken sickerte Wasser herein, aber nicht mehr, als er erwartet hatte. Das sollte bei allen neuen Booten so sein. Bald würde das Holz das Salzwasser in sich aufnehmen und sich ausdehnen, wie die Schwämme in Kels. Doch wenn die Spalten zu breit waren, würden die Planken im Wasser verfaulen.
    »Das Boot ist gut.« Dielan holte zwischen zwei Ruderschlägen Luft. »Es lässt sich leicht rudern.«
    Gwen lächelte ihn an, lehnte sich mit dem Rücken an den Achtersteven und faltete die Hände über dem Steuer. Ihre lockigen Haare umspielten ihr Gesicht. Sie ist eine hübsche Frau, dachte Bran. Hoffnung und Erwartung lagen in ihren braunen Augen. Auf ihren Lippen schien immer ein Lächeln zu liegen und der Hals unter ihrem Kinn war kurz und schmal. Sie

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