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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Frauen zu sprechen. Das Mädchen legte Holzscheite auf die Glut, und als Bran das Feuer erreichte, nahmen sie ihm den Umhang ab und zogen ihm Stiefel und Ledersocken aus. Dann rieben sie seine Hände und Füße ab, und das Mädchen begann, ihn mit einem Löffel aus einem Topf zu füttern. Er würgte so viel hinunter, wie er nur konnte. Sein Körper schmerzte, während sich die Wärme in ihm ausbreitete. Die Frauen wickelten ihn in Decken und ließen ihn am Feuer liegen. Er konnte sie flüstern hören.
     
    Bran lag lange da und starrte an die Decke. Er hatte das Gefühl, eine Ewigkeit geschlafen zu haben, und glaubte zu träumen, als er aufwachte. Doch er erinnerte sich an die Erscheinung, die er im Schnee gehabt hatte, an das Licht und die alten Frauen. Und noch immer knisterte das Feuer. Er konnte sich umdrehen und in die Flammen schauen und die verrußten Steine hinten im Kamin sehen. Über ihm hingen gesalzene Hirschkeulen und getrocknetes Fleisch an Schnüren von den Balken herab. Er roch Wacholderbeeren und Nüsse, die in den Leinensäcken sein mussten, die an den Wänden hingen, und jetzt hörte er auch, dass die Frauen wieder zu flüstern begannen.
    Das junge Mädchen hängte den Kessel über die Flammen und hockte sich neben dem Feuer hin.
    »Ovma chu.« Sie blickte auf ihn hinab. Dann zuckte sie mit den Schultern und sah zur Tür hinüber. Bran folgte ihrem Blick mit den Augen. Die Frauen saßen am anderen Ende des Raumes an einem Tisch. Sie begannen, durcheinander zu reden, und das junge Mädchen sprach lauter, um sie zu übertönen:
    »Ovma chu? Chuo mokma. Etreke, etreke!«
    Sie deutete auf ihn. Bran bemerkte, dass sie eine Narbe auf der Wange hatte. Sie hatte die Form eines Kreuzes. Jemand hatte das in ihre Haut geritzt. Sie war gezeichnet, wie die Reiterstämme im Norden ihre Pferde zeichneten. Er erkannte, dass sie eine Sklavin sein musste.
    Die Frauen am Tisch sahen sie an und krächzten wie heisere Elstern. Das Mädchen nahm den Kessel vom Feuer und begann, ihn wieder zu füttern. Der Holzlöffel war viel zu groß für seinen Mund, und immer wieder musste er sich den Bart abwischen. Ganz offensichtlich hatte sie Angst vor ihm, denn jedes Mal, wenn er seine Hand zum Mundwinkel emporhob, zuckte sie zusammen und rief den Frauen etwas zu. Bran hörte, dass sie Vandarer waren, und entschloss sich, nicht zu sprechen. Er trug die Kleider des Toten, und niemand konnte ahnen, dass er auf Seiten der Arer kämpfte.
    Als er sich aufrichtete, ließ das Mädchen den Löffel fallen und rannte von ihm weg. Bran kümmerte sich nicht darum, sondern zog den Kessel zu sich heran und aß weiter. Er musste diesen Ort verlassen, ehe die Männer zurückkamen. Denn Männer musste es hier geben. Die Frauen konnten hier draußen nicht alleine leben. Die Kornsäcke und Pelze an den Wänden ließen vermuten, dass es sich um eine Art Hof handelte, auf den er hier gestoßen war. Vielleicht waren die Männer im Wald auf der Jagd. Vielleicht waren sie mit dem Reiterheer nach Westen gezogen.
    Bran aß fast den ganzen Brei. Dann rülpste er und warf die Decken ab. Er knöpfte sich die Jacke zu und zog die Stiefel über die ledernen Hosen, ehe er den Pelzumhang vor der Brust schloss.
    »Bist du aus Tirga?« Die rothaarige Frau sprach, während sie mit den Fingern über die Axt auf dem Tisch strich. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf eine Kerbe auf dem Schaft der Axt. »Ranma aus Tirga hat diese Axt geschmiedet. Bist du Tirganer, oder ist diese Axt eine Kriegsbeute? Aber dann verstehst du nicht, was ich sage.«
    Schon war er am Tisch und nahm ihr die Axt aus den Händen. Dann packte er eine Decke und schnitt eine Hirschkeule und eine Schnur mit Trockenfleisch vom Deckenbalken. Er wickelte das Essen in die Decke und warf sie über die Schulter.
    »Wohin willst du?« Die Rothaarige ging auf ihn zu.
    Er packte ihre Handgelenke und fauchte sie an. »Versuch nicht…«
    Da bemerkte er das Zeichen. Ihre Haare fielen zurück und entblößten die zwei einander kreuzenden Narben.
    »Ja«, sagte sie. »Ich bin Sklavin hier auf dem Hof. Wir zwei, Inien und ich.« Sie lächelte zu dem Mädchen hinüber, das sich hinter einer Tonne am Kamin versteckte. »Sie ist ein bisschen schüchtern. Sie ist neu hier, verstehst du.«
    Bran ließ ihren Arm los, denn was konnte ihm diese alte Frau schon tun? Ihr Gesicht trug die Falten eines langen Lebens. Sogar die Narbe war gealtert und grau. Doch ihre Haare waren noch immer rot wie eine Fackel des Zorns über

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