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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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zwei Tagen haben wir erfahren, dass die Ostflotte die Provinzstadt von den Arern zurückerobert hat. Zaya hier hinten…« Die alte Frau nickte in Richtung des Tisches, an dem die Vandarfrauen saßen. »Sie kann lesen. Sie…«
    »Welche Provinzstadt?« Bran packte ihre Handgelenke. »Wo liegt sie?«
    »Ash-Ka, gleich im Norden von hier. Die östlichste der Küstenstädte. Sie hatten sie verlassen, bevor die Arer kamen, doch jetzt haben sie sie zurückerobert.«
    Bran wandte sich ab. Das Winterlager war gefallen. Die Verwundeten mussten jetzt alle Gefangene sein, wenn sie es nicht in die zwei Langschiffe geschafft hatten. Es gab keinen sicheren Ort mehr in Vandar. Er musste weiter nach Osten.
    »Wie weit ist es bis Arborg?«
    Die Sklavin schüttelte den Kopf. »Viel zu weit, das haben sie mir immer gesagt.«
    Da zupfte das Mädchen an ihrem Ärmel. »Nis will nicht wieder in ihren Käfig. Du musst für sie singen.«
    »Singen?« Die Sklavin streichelte ihr über die Haare. »Glaubst du denn, der Fremde will das hören?«
    Bran versuchte zu lächeln. »Ich möchte es gerne hören.« Er sank vor der Wärme zu Boden. »Es ist lange her, dass ich das letzte Mal jemanden singen gehört habe.«
    Die alte Frau begann zu summen. Sie rührte in dem Kessel und sang mit Worten, die er nicht verstand. Inien schob die Taube in den Käfig. Es war ein trauriger Gesang mit langen Tönen, die ihn an die ersten Herbstwinde erinnerten. Es war ein Gesang voller Sehnsucht.
    Als sie fertig war, nahm sie den Kessel vom Haken und stellte ihn vor Bran.
    Inien hatte den Käfig aufgehängt. Sie legte ihre Hand auf die Wange der Alten. »Das ist dein Lied, ja. Tigams Lied.«
    »Tigams Lied.« Die Sklavin hob den Kessel an und schwankte damit zum Tisch hinüber. Die Vandarfrauen standen auf und begannen, die gekochten Fleischstücke herauszufischen.
    Bran ließ sie essen. Er erinnerte sich jetzt. Er sah die Fackeln, die auf der schwarzen Mauer brannten, und wie die Old-Myrer über den Weinfässern hingen. Den Tanz, die Sackpfeifen. Blutskalle war zu ihm gekommen. Er hörte die Worte des alten Kriegers. »Finde sie… Sei gewiss, dass ich nie eine andere Frau auch nur berührt habe, denn ich habe immer gehofft… Sie heißt Tigam.«
    »Willst du nicht kommen? Du musst Hunger haben, du hast doch den ganzen Tag verschlafen.« Die Sklavin stand am Tisch und schüttete die Fleischsuppe in Schalen. »Du musst keine Angst haben.« Sie reichte die Schalen den Vandarfrauen. »Ich habe nicht gesagt, wo du herkommst. Sie glauben, du kommst von einer der Inseln. Die Sprache dort draußen ähnelt derjenigen, die man in Ar spricht.«
    Die Frauen zeigten auf ihn und lachten, so dass ihre Ohrringe sich bewegten.
    Bran hatte noch immer Hunger, und so ging er zum Tisch hinüber und setzte sich auf den freien Stuhl neben dem Mädchen. Er bekam eine Schale und sah zu den Vandarfrauen hinüber. Eine von ihnen hatte anscheinend alle Zähne verloren, denn sie riss die Fleischstücke in kleine Streifchen und schluckte sie hinunter. Sie schienen mehr mit dem Essen beschäftigt zu sein als mit ihm. Und wenn es so war, dass sie glaubten, er stamme von einer Insel vor der Küste, brauchte er sich um sie keine Sorgen zu machen.
    Als die Sklavin alle Schalen mit Suppe gefüllt hatte, setzte sie sich auf ihren Stuhl am Ende des Tisches. Sie sagte etwas zu den Vandarfrauen, die die Schalen an den Mund gelegt hatten und laut schlürften.
    »Tigam.« Er fing ihren Blick auf. »Du stammst aus Arborg.«
    Sie stellte ihre Schale auf den Tisch. »Ja«, sagte sie, »ich wurde von dort geraubt, als ich noch jung war. Seither habe ich auf diesem Hof gewohnt.«
    Bran nahm ein Fleischstück in den Mund und kaute gründlich. Er wollte nicht, dass die Vandarfrauen bemerkten, dass das Gespräch eine unerwartete Wendung nahm. Denn auch wenn sie nicht verstanden, was er sagte, war er sich sicher, dass sie wie die meisten alten Frauen erkennen konnten, was er fühlte.
    »Warum bist du nicht davongelaufen?« Er wischte sich den Mund ab.
    Sie lächelte, und ihr Gesicht sah aus wie ein verwitterter Baumstumpf. »Ich bin so oft weggelaufen«, sagte sie lachend. »Aber sie haben mich jedes Mal wieder eingefangen. Ich war damals jung und wusste nicht, was zu meinem Besten war.«
    Bran sah zur Seite. Inien erinnerte ihn an Tir, auch wenn sie viele Winter jünger war. Die Narbe auf ihrer Wange war noch immer rot.
    »Was ist mit ihr?« Er legte seine Hände um die Schale.
    »Inien hört auf mich. Sie

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