Brans Reise
Konvai auf dem Schoß auf die Mittelbank setzte.
»So einfach ist das nicht.« Nangor kratzte sich die Haare, schaute unter seine Nägel und schnippte die Schuppen ins Wasser. »Ich habe merkwürdige Sachen über die nördlichste Insel von Ar gehört. Und von dort aus sind es fünf Tage bis zur nächsten.«
»Was für Sachen?« Dielan suchte Nangors Blick, doch der Seeräuber schien mehr mit dem Wasser beschäftigt zu sein, das am Bootsrumpf vorbeirauschte.
»Gerüchte«, murmelte Nangor. »Das kann so vieles sein. Vielleicht bloß das besoffene Gerede eines Vandars.«
»Erzähl!« Dielan zerrte ihn am Ärmel.
Nangor verschränkte die Arme vor der Brust und schaute nach vorn über den Bug. »Wenn die Gerüchte stimmen, werden wir das am Meer erkennen; es wird glatt wie ein gehämmertes Schild sein.«
»Wie flaches Wasser, meinst du?«
Nangor wollte nicht mehr sagen. Er kroch unter das Segeltuch und krabbelte bis zum Bugsteven vor, wo er seinen Gürtel löste und sich hinlegte. Tir, die auf der Steuerbordseite von Bran saß, kroch zur Mittelbank zurück. Dielan spürte, dass sie Angst vor dem Seeräuber hatte. Solche Männer hatten sie zu Sar verschleppt. Nangor selbst war es wohl nicht gewesen, denn er schien sie nicht zu kennen. Doch der Seeräuber hatte das Schiff für Sars Männer gesteuert und im Namen des Königssohnes Anspruch auf sie erhoben.
»Hier.« Gwen reichte ihm den letzten Wasserschlauch.
Dielan wandte den Blick von Nangor ab und schüttelte den Kopf. »Du brauchst das. Und Konvai. Trink du.«
Gwen zog den Korken heraus und legte ihre Lippen um das Mundstück. Dielan sah zu, wie das warme Wasser in sie hineinrann. Er wusste, dass sie Durst hatte, denn sie brauchte Wasser für zwei. Ein Wasserschlauch, dachte er, während er sah, wie schmal die Muskeln in ihrem Hals geworden waren. Ein Wasserschlauch für fünf Menschen. Das würde nicht länger als einen Tag reichen. Er hatte mit den Männern in den anderen Booten darüber gesprochen. Fleisch hatten sie genug, denn der Inselkönig war großzügig mit seinen Gaben gewesen, doch als sie von dem Schiff verfolgt wurden und Bran das Weinfass ins Wasser geworfen hatte, hatten viele der anderen das Gleiche getan. Sie würden nicht mehr viele Tage aushalten. Morgen musste er die Männer bitten, das Wasser aufzuteilen.
»Wir müssen sparen«, sagte er.
Gwen nahm einen letzten Schluck und gab ihm den Wasserschlauch.
Dielan drückte den Korken hinein und schob den Schlauch unter die Ruderbank. »Wir schaffen das zwei Tage, nicht wahr, Gwen?«
Sie wischte sich den Mund ab und leckte die Tropfen von den Fingern. Aber sie antwortete nicht.
Als die Sonne hoch am Himmel stand, fielen Dielan und Gwen in einen Dämmerschlaf. Das war ihnen zur Gewohnheit geworden, denn das Meer war eintönig und wiegte sie in den Schlaf. Nangor schnarchte im Bug, und nur Tir bemerkte, dass Bran erwachte.
Denn Bran träumte nicht mehr. Er spürte die Decken unter seinem Rücken, die schmerzenden Wunden und die Stiche in der Haut. Als sich die Augen öffneten, glaubte er zuerst, es sei Winter, denn das Segeltuch glich den Schneewolken an einem Winterhimmel. Aber die Wärme, die über seine nackte Brust strich, brachte die Erinnerung zurück, und er wusste wieder, was geschehen war. Er drehte den Kopf zur Seite, und dort sah er die Frau, die er vom Inselkönig bekommen hatte.
»Tir.« Seine aufgesprungenen Lippen brannten.
Sie sah ihn an. Sie hat keine Angst, dachte er. Vielleicht hat sie jetzt verstanden, dass ich ihr nichts Böses will?
»Du bist erwacht.« Sie fasste sich an die Wange und strich eine Haarsträhne weg, die sich an ihren Mundwinkel geheftet hatte.
Er versuchte, seinen Arm in ihre Richtung auszustrecken, aber er war zu schwach.
»Ich habe geträumt.« Er schluckte und hustete, als sich die Naht an seiner Kehle straffte. »Träumst du, Tir?«
Sie nickte. Er spannte seine Kiefermuskeln an und versuchte zu lächeln.
»Erzähl«, sagte er. »Von deinen Träumen.«
Sie sah weg. Noch einmal versuchte er, seinen Arm zu bewegen, aber es gelang ihm nicht. Er schloss die Augen und holte tief Luft.
Da spürte er, dass sie näher rückte. Ihr Umhang strich über seinen Bauch. Er roch Salzwasser und Wärme.
»Fa Ton«, flüsterte sie. »So heißt der Ort, von dem ich träume.«
Bran öffnete die Augen. Ihr Gesicht war nur ein paar Handbreit von dem seinen entfernt. Ihm wurde ganz warm und er schwieg.
»Die Vandaren griffen uns an.«
Er starrte sie an,
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