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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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den Inseln im Norden von Tirga, einer der Hafenstädte von Ar. Es gibt gute Häfen dort. Schöne Frauen.« Er hob das Weinfass über seinen Mund.
    Die Menschen des Felsenvolkes sahen sich an. Dann wandten sie sich an Nangor.
    »Kennst du dich in diesen Gewässern aus?«, fragte Turvi.
    »Bei Manannan! Seit ich ein Kind war, befahre ich dieses Meer.« Nangor wischte sich den Wein vom Mund. »Mein Vater war ein mächtiger Seemann, und meine Mutter war eine Kinländerin aus den Tiefen des Meeres!« Er wedelte mit den Händen über dem Kopf herum und schloss die Augen. »Ich kenne das südliche Meer besser als jeder andere! Ich bin bis an den Sturmrand im Westen gesegelt und habe in die Winde geschaut, in denen die Seelen der Ertrunkenen weinen!« Er rülpste erneut und stellte das Weinfässchen zwischen seine Füße. »Aber die Tuurer, diese Schwabbelbäuche, haben mein Schiff versenkt. Und so wurde ich Skipper für Sar und sollte nach fünf Sommern ein eigenes Schiff bekommen. Dies war der fünfte Sommer.« Er fluchte und drückte den Korken in das Fässchen.
    »Wir können dir kein Schiff geben.« Turvi sah den Seeräuber unter seinen buschigen weißen Augenbrauen an. »Aber du kannst uns den Weg zu diesem Land im Süden weisen. Und wenn Bran gesund wird, kann er…«
    »Wenn er gesund wird«, sagte Velar gereizt.
    »Wenn Bran aufwacht«, fuhr Turvi fort, »wird er uns sagen, ob das das Land ist, in dem Kragg auf uns wartet.«
    »Gut gesprochen.« Hagdar straffte das Segel. »Lasst uns nicht länger warten. Wir segeln nach Süden.«
    Die Männer lösten die Vertäuungen und stießen die Boote voneinander ab. Dann zogen sie die Querbäume hoch und ließen Dielan voransegeln. Nangor legte die Beine übereinander aufs Dollbord und hob das Fässchen auf seinen Schoß. Und so führte er sie durch die Nacht.
     
    Bran schwamm. Über ihm waren die Wellen. Sie glänzten wie Kelssilber. Er drehte sich auf den Rücken und sah zu, wie sie im Sonnenlicht tanzten. Die Wellentäler waren weich und friedlich, doch ihre Spitzen glichen Messerklingen. Sie stachen in seinen Körper. Er fürchtete sie und das Licht dort oben. Deshalb drehte er sich um und schwamm auf das Dunkel zu. Er ließ seine Arme zu Flossen werden und seine Beine zu einem Schwanz. Die Strömung half ihm nach unten, bis alles Licht verschwunden war. Doch er konnte noch immer fühlen. Er spürte die Tangfasern auf seinem Gesicht, die Steine auf dem Meeresboden und die auf ihnen wachsenden Muscheln. Und er spürte Frieden.
    Bran ruhte auf dem Grund des Meeres. Das Wasser war kalt und kühlte seine Wunden. Es füllte seine Brust und war gut zu atmen, und hier unten fanden ihn die Klauen nicht. Viele Tage lag er dort, auch wenn die Tage dunkel wie Nächte waren. Erst als die Strömungen sagten, dass der Schlaf vorüber war, erhob er sich und schwamm wieder auf die Oberfläche zu.
    Doch jetzt war das Meer wild. Seine weibliche Wut kochte unter den Wellen, und er musste alles geben, um nach oben zu können.
    »Kämpfe gegen mich«, sagte es.
    Und Bran kämpfte. Er schlug seine Arme durch das Wasser, trat die Ströme unter seinen Füßen und konnte bald das Brausen der Wellen über sich vernehmen.
    »Fürchte dich nicht«, flüsterte die Stimme des Meeres und er brach durch die Oberfläche. Seine Brust wurde mit Leben erfüllt und er schoss wie ein Pfeil in die Luft empor. Und in dem Moment, in dem er wieder ins Wasser fiel, erkannte er, dass er in ein neues Land gekommen war. Er sah eine Gruppe von Blockhäusern und hinter den Häusern Felsen und ein Gebirge. Da lächelte Bran, denn er wusste, dass er das Land sah, in dem sein Volk wohnen sollte. Aber der Himmel verdunkelte sich und er erkannte den dunklen Strand. In der Dünung der Wellen trieb der Körper. Er sah die weiße Haut, die Brüste und das Haar, das ihr Gesicht verdeckte.
    »Nein!«, schrie er. »Nimm sie mir nicht! Nicht jetzt!«
    Doch das Meer schluckte ihn wieder, und niemand hörte seine Stimme.
     
    Der Wind blies noch immer aus Norden. Jetzt, da das Felsenvolk Regen hätte gebrauchen können, brannte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel.
    »Ist es weit bis Ar?«, fragte Dielan eines Morgens, als er Nangor am Ruder ablöste.
    »Nein.« Nangor machte ihm den Platz am Achtersteven frei und trommelte mit den Fingern auf die Reling. »Mit diesem Wind werden wir etwa zwei Tage benötigen, bis wir die erste Insel sehen.«
    »Zwei Tage schaffen wir noch«, sagte Dielan und lächelte Gwen zu, die sich mit

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