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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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einmal und Bran stöhnte. »Visikal…« Sie zupfte den ersten Faden heraus. »Vare…« Der zweite folgte. »Und Ylmer…« Der dritte Faden glitt aus seiner Haut. »Sie alle sind dankbar und wollen dich ehren.«
    Bran atmete aus und bereitete sich auf die nächsten Fäden vor. »Turvi hat mir davon erzählt. Sie sind die Skerge, nicht wahr? Tirgas Heerführer?«
    »Sie führen Tirgas Männer in den Krieg.« Sie durchtrennte eine Reihe Fäden und begann sie herauszuziehen, wie Dornen aus einem Fuß. »Im Westen, an der Küste entlang, werden sie auf die Schiffe von Arborg treffen und auf all jene, die von den Burgen in Old-Myre herübergeritten sind. Alles in allem hat Ar acht Skerge. Drei hier, drei in Arborg und zwei in Old-Myre.«
    »Ihr müsst reich sein«, sagte Bran. Die Art, wie sie die fremden Namen aussprach, faszinierte ihn so sehr, dass er fast das Stechen in seinem Rücken vergaß. »Niemals zuvor habe ich von einem Land gehört, das Wohlstand für mehr als eine Stadt hat.«
    »Ar ist ein mächtiges Land. Mächtig nach vielen Generationen des Plünderns.«
    Bran wusste nicht, was er dazu sagen sollte, und so schwieg er, während sie seinen Rücken wusch und mit Salbe einschmierte.
    »Jetzt kannst du dich umdrehen.« Sie stellte den Salbentopf auf den Boden.
    Er tat, was sie von ihm verlangte. Tir war wieder voller Ernst, als sie die Schere abtrocknete und sie über der Flamme erhitzte. Das flackernde Licht warf Schatten auf ihre schlanken Wangen. In seinen Augen ähnelte sie einer Frau aus Kels, denn ihre Wangenknochen waren hoch, und wenn sie die Lider schloss, erkannte er, dass ihre Augen leicht schräg nach oben zeigten. Der Wind, der durch die Fenstergitter hereinwehte, brachte ihr Haar dazu, sich um ihren dünnen Hals zu legen. So gerne hätte er es berührt, und plötzlich sah er sich selbst neben ihr, als ihr Mann – sie legte ihren Kopf in den Nacken und ließ es zu, dass er mit seinen Händen ihre weichen Locken streichelte.
    »Es wird wehtun.« Sie beugte sich über seinen Schenkel und begann an der unebenen Wunde herumzukratzen. Als die Schere Löcher in die Haut stach und den ersten Faden durchtrennte, erwachten die Krallen in seinem Nacken. Bran schloss die Augen und bat sie zu verschwinden, jetzt, da sie ihn so lange in Frieden gelassen hatten. Doch wie üblich hatten sie für seine Bitten taube Ohren, und schon bald brannte der alte Schmerz über seinen Augen.
    »Das war das Bein.« Tir wischte das Blut weg und schmierte die Wunde mit Salbe ein. »Jetzt kümmere ich mich um den Arm. Das ist eine kleine Wunde.«
    Er spürte ein paar Zupfer, und dann strichen ihre Fingerspitzen wieder über seine Haut.
    »Und jetzt noch der Hals.« Noch einmal erhitzte sie die Schere über der Flamme, bevor sie ihre Hand auf sein Kinn legte und sich über ihn beugte. Ihre Haare fielen auf Brans Gesicht, der den fremden, honigartigen Duft einsog. Weder Gwen noch eine der anderen Frauen seines Volkes hatten einen solchen Geruch.
    Die Schere ritzte seine Haut, und wieder zuckten die Fäden. Die Klauen über seinen Augen mochten das nicht und krallten sich nur noch fester, als fürchteten sie, den Halt zu verlieren. Ihm wurde übel und sein Hals brannte.
    »Nur noch vier Fäden.« Sie sprach leise und lehnte weich wie ein neugeborenes Lamm über seiner Brust. »Drei«, flüsterte sie. »Zwei… zwei…« Bran schwamm. Die See war wild und voller Wut. Sie warf sich mit mächtigen Wellen gegen sein Gesicht und sprach zu ihm.
    »Du bist jetzt mein«, sagte sie. »Bran… der Seefahrer… Für immer mein…«
    Er spuckte Salzwasser und schrie sie still an. Doch sie lachte ihn nur aus und hob ihn auf ihren Fäusten an. Und dort, hoch über den Strömungen, ließ sie ihn sehen. Sie zeigte ihm die Berge, die Ebenen und den schwarzen Strand, und die Menschen, die dort standen. Wie klein sie unter dem brüllenden Himmel waren, wie besorgt. Es war sein Volk, und erkannte er dort vorn am Spülsaum nicht Dielan? Er kniete und vor seinen Füßen lag ein weinender Mann.
    »Das bist du«, sagte die See.
    Dann wandten die Menschen den Wellen den Rücken zu und wanderten über Berge und Ebenen. Auf der anderen Seite des Gebirges kamen sie in ein Tal, wo sie unter schweren Eichen ihr Lager aufschlugen. Und sie sahen, dass es ein guter Ort war. Viele Sommer wurden zu Herbst und Winter. Bran sah all das, er sah es im Laufe eines einzigen Atemzugs, während das Meer ihn über den Wellen festhielt. Er sah sein eigenes Volk Hütten

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