Brans Reise
bedeckt war, und erinnerte sich daran, dass er ihre Schritte gehört hatte. Als er durch die Bäume trat, sah er auch die Krieger, die unter einem Dach auf der anderen Seite des Platzes standen. Vorsichtig ging er über die kleinen Steinchen, die nicht schweigen wollten, wie langsam er seine Füße auch auf dem Boden aufsetzte.
»Wer dort?«, rief eine der Wachen. Bran sah mit zusammengekniffenen Augen zu der Fackel hinüber, die im Schutz des Daches brannte, vermochte aber nicht mehr als ein Schild und eine Speerspitze zu erkennen.
»Ich bin Bran«, sagte er. »Man hat mich gebeten zu kommen. Ist das nicht Visikals Haus?«
»Das ist es. Sei willkommen, Tir erwartet dich.« Die Speerspitze bewegte sich nach oben und verschwand im Schatten.
Bran warf einen Blick auf die mächtigen Steinwände um sich herum, bevor er über den Platz ging und unter das Dach trat. Drei Männer standen dort; sie alle trugen eine Rüstung und lederne Hosen. Sie schwiegen und schienen ihr Interesse an ihm verloren zu haben, denn ihre Blicke hatten sich auf das Halbdunkel draußen im Regen gerichtet. Am Ende des Vordachs fiel Licht durch eine geöffnete Tür, und Bran glaubte, sie würde dahinter warten. Er wrang das Wasser aus seinen Haaren und wischte sich die Stirn trocken. Dann duckte er sich und trat unter dem Türrahmen hindurch.
Der Raum war groß, und obgleich er sich an Sars Saal erinnerte, erschien dieser Raum noch mächtiger. Der wie von Riesenhand geschnitzte Eichentisch und die Waffen an den Wänden trugen ihm auf dem ganzen Weg hinüber zur Treppe Lieder aus alten Zeiten zu. Der Kamin beherbergte ein glühendes Feuer, und der warme Geruch brennenden Tangs, den er zu lieben begonnen hatte, umgab ihn. Bran zuckte zusammen, als sich eine Tür an der westlichen Wand öffnete und ein Mann mit einer Kupferschüssel in den Händen in den Raum trat. Ohne ein Wort kam er über die Steinplatten auf Bran zu, lächelte, so dass die Falten sein ganzes, bartloses Gesicht durchfurchten, und streckte ihm die Schüssel entgegen.
»Ich habe keinen Durst.« Bran schüttelte den Kopf und wünschte sich, der Mann möge verschwinden. »Tir hat mich gebeten zu kommen. Kannst du mir sagen, wo ich sie finden kann?«
»Er kann dir nicht antworten.«
Bran drehte sich zu der Stimme um. Tir stand groß und schlank in einem scharlachroten Kleid auf der Treppe. Um den Hals trug sie eine schwere Bronzekette. Bran erschien sie wie die Königstochter in den Liedern, die sie an den Lagerfeuern sangen.
»Toler ist stumm, doch als junger Mann war er einer von Ars größten Kriegern«, sagte sie und kam die Treppe herunter. »Er hat im Krieg der Fünf Monde gekämpft und eine Burg in Vandar gehalten. Nur er allein hat überlebt, als die Vandarer die Burg stürmten, und noch immer reden die Menschen darüber, wie es ihm gelingen konnte zu fliehen, nachdem sie ihm die Zunge herausgeschnitten hatten. Aber folge nun unseren Bräuchen, Bran: Wasch dir die Hände und das Gesicht.«
Bran tat, was sie sagte, und wusch sich in der Kupferschüssel, während ihn der alte Krieger anstarrte. Als er fertig war, deutete Toler durch ein Nicken auf das Tuch, das er über seinen Unterarm gelegt hatte. Bran nahm es und trocknete sich ab. Es half nicht viel, denn noch immer tropfte Wasser aus seinen Haaren.
»Danke«, sagte Tir. Mit einer Verbeugung drehte Toler sich um und verschwand wieder durch die Tür.
»Du hast mich gebeten zu kommen.« Bran legte die Hand auf die Wunde an seiner Kehle. »Ist es Zeit, die Fäden aufzuschneiden?«
Tir lächelte. »Die Wunden sind verheilt, und Cernunnos hat das Seine getan. Deshalb habe ich dich nicht zum Turm, sondern hierher bestellt. Folge mir, aber sei leise. Visikal und seine Frauen schlafen.«
Bran ging hinter ihr die Treppe hinauf. Sie kamen in einen steinernen Gang, dessen Decke von dicken Holzbalken getragen wurde. Von ihm führten zahlreiche leicht geöffnete Türen in halbdunkle Zimmer. Tir ging bis zum Ende des Ganges. Dort nahm sie ein Talglicht von der Wand und schob eine Tür auf. Bran schlich ihr nach. Er wollte diesen Visikal, von dem er so viel gehört hatte, wenn irgend möglich nicht stören. Doch vermochte er sich nicht zurückzuhalten, rasche Blicke in die Zimmer zu werfen, denn er fragte sich, wie ein Mann mehr als eine Frau haben konnte. Aber er konnte niemanden erblicken.
»Leg dich auf die Bank«, sagte Tir, nachdem er in ihr Zimmer getreten war. Hier drinnen war es nicht gar so dunkel, denn zwei der
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