Brasilien
zusammengeknüllten Lumpen gegeben, der von fremdem Schweiß mit Moschusgeruch durchtränkt war. Ein Raum, der wie das Innere einer Bauchhöhle war, zog sich um sie zusammen, erfüllt vom Blut und vom Atmen dieser allgegenwärtigen, betrunkenen Mutter.
Ihr Geliebter war angespannt und ruhelos. Zwischen sich und ihr hatte er, mit mehreren ängstlichen Korrekturen, die Habseligkeiten aufgebaut, die sie den Hügel hinaufgeschleppt hatten: zwei Reisetaschen, gefüllt mit Isabels Kleidern und mit den Kostbarkeiten, die sie aus Onkel Donacianos Appartement gestohlen hatten: dem silbernen Zigarettenetui; den Kerzenleuchtern aus Kristallglas; einem edelsteinbesetzten, goldenen Kruzifix, das aus einer Barockkirche in Minas Gerais gestohlen und ihrem Onkel von einem Antiquitätenhändler verkauft worden war; und ein rechteckiges, von vielen Gummibändern zusammengehaltenes Bündel von Zehntausend-Cruzeiro-Scheinen, das zwischen seiner parfümierten, pastellfarbenen Unterwäsche versteckt gewesen war – Unterwäsche, die auch eine Frau hätte tragen können, wie Tristão voller Verwunderung bemerkte. Als er die Reisetaschen in seiner Sorge noch enger zwischen sich und Isabel zusammenpreßte, drückten die scharfen Kanten ihrer Beutestücke in Isabels Fleisch. Die Stiche schienen ihr sagen zu wollen, daß ihre verzärtelte Mädchenzeit vorüber war, daß sie begonnen hatte, das Leben einer Frau zu führen, ein Leben voller Schmerzen. Das trunkene, zusammenhanglose Lied, das Tristãos Mutter so leise sang, hatte die gleiche Botschaft. Und doch konnte sie nichts davon abhalten, in diesen warmen Eingeweiden des Elends in den Schlaf zu sinken, während sich ihr Mann (ihr Ehemann, so kam es ihr vor) unruhig neben ihr herumwälzte und in der tintigen Schwärze Zukunftspläne für sie beide schmiedete.
Als sie erwachte, verkündeten die blauen Dolche aus Licht, die in der staubigen Luft rund um sie her schwebten, daß es Tag geworden war. Es wurde gekocht – ein Mädchen von zwölf oder dreizehn Jahren hockte vor einem Feuer, das in der Nähe des fetzenverhangenen, als Rauchabzug dienenden Eingangs brannte und den runden Deckel eines Ölfasses erhitzte, der darüber befestigt war und die Kochplatte darstellte. Isabel erkannte die Gerüche von Kaffee und angu, Maisfladen, die nur mit Salz und Wasser angerührt wurden. Andere Körper begannen sich zu rühren; sie erkannte, von jenem Tag am Strand her, die gedrungene Gestalt von Euclides, die sich durch das graue Morgenlicht bewegte. Er blickte in ihre Richtung, schien sie aber nicht wahrzunehmen. Tristão zeigte ihr die Kammer, aus der die Exkremente hügelabwärts schlidderten. Nach dieser sorgenvollen Nacht wirkte er magerer und älter, wie ein Stück geräuchertes Fleisch, und die Schwärze seiner Haut war stumpfer. Es stimmte sie traurig, zu erkennen, daß die Eroberung, die er mit ihr gemacht hatte, sich so bald als eine zehrende Bürde erwies.
In ihrer Unschuld dachte sie, daß diese Bürde für ihn leichter würde, wenn es ihr gelänge, seine Mutter zu ihrer Verbündeten zu machen. Ursula war noch nicht aufgestanden. Ein kleiner Mann lag neben ihr auf dem breiten, verdreckten, süßlich stinkenden Strohsack, der ihr als Bett diente. Er schlief noch und hatte sein Gesicht in ihre Seite gebohrt wie ein Blutegel. In seinen verfilzten Haaren war schon Grau; sein Gesicht wurde von der vollen, braunen Brust verdeckt, die in Ursulas löcherigem Baumwollkittel seitlich herunterhing. Ihre Haut hatte die Farbe von aufgeschlämmtem Holzruß, ganz ohne Tristãos Schimmer von afrikanischem Blau, das wohl von seinem unbekannten Vater stammte. Das Weiße in Ursulas Augen war vom Alkohol gelblich und stumpf geworden, und auch einige Zähne fehlten ihr. «Weißes Fräulein, was willst du hier?» fragte sie, als sie Isabel am Fußende ihres Lagers stehen sah.
«Tristão hat mich hergebracht. Meine Familie will uns trennen.»
«Vernünftige Leute. Ihr beiden seid total bescheuert», sagte Ursula, die stumpfen Augen unverwandt auf das Gesicht des schönen Eindringlings gerichtet, während sie auszuloten versuchte, welche Vorteile sie aus dieser Heimsuchung für sich selbst herausschlagen könnte.
«Wir lieben uns», verkündete Isabel. «Wir wollen zusammenbleiben, für immer.»
Tristãos Mutter lächelte nicht mehr; vielmehr zeigte ihre mürrische Miene erste Anzeichen von Verärgerung. «Wenn die Liebe so lange dauert wie’s Ficken, hat man schon Schwein gehabt», sagte sie. «Mein
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