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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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das sich Flower-power nennt, und Los Angeles ist die Hauptstadt von einem neuen Gebilde namens Pazifisches Becken!» Er beugte sich ihr entgegen und lüpfte die langen, schmalen Augenbrauen, die blonder waren als seine walnußbraune Stirn, auf eine Weise, die Dutzenden von Frauen vor ihr bedeutet hatte, daß ihnen gleich ein faszinierender Vorschlag offenbart würde. «Laß mich frank und frei sprechen, Isabel, als dein Onkel, der genau weiß, daß sein seriöser Bruder ihm nicht beipflichten, ihm ganz entschieden widersprechen würde. Wenn du unbedingt die Konventionen brechen willst, dann werde eine Abenteurerin – eine Schauspielerin oder Sängerin, ein Phantom in der elektronischen Welt, die unsere langweilige Welt der schweren Elemente und der drei Dimensionen immer mehr ersetzt! Laß uns zurück! Brich auf zu den Sternen! Eine schwindelerregende Fülle von Möglichkeiten wartet auf dich, wenn du erst einmal Schluß gemacht hast mit diesem, diesem –»
    «Tristão», fiel ihm Isabel ins Wort, das sie nicht hören wollte. «Meinem Mann. Eher würde ich mit mir selbst Schluß machen.»
    Onkel Donaciano verzog schnell und spitz den roten Mund und stellte fest, daß sein schlankes Glas, in dem sich ein Drink von der gleichen silbrigen Farbe wie sein Anzug befunden hatte, leer war. «Das ist die Sprache der Gosse, meine Liebe. Vulgärromantik von der durchsichtigsten Sorte, was das einzige ist, das den Armen bleibt, um sich ihr Leben erträglich zu machen. Aber du, wir beide genießen das Privileg, unseren Verstand gebrauchen zu können. Auf diese unsere Fähigkeit gründet sich, nach all den elenden Jahrhunderten iberischer Phantasterei und gemeiner Habgier, die ganze Hoffnung Brasiliens.»
    Isabel lachte herzhaft, kannte sie doch den Tageslauf ihres Onkels nur zu genau: den Morgenspaziergang an den Stränden von Ipanema und Leblon; den vormittäglichen Anruf bei seinem Börsenmakler, einem gerissenen mulatto claro, der an der London School of Economics studiert hatte und ihm jede finanzielle Denkanstrengung abnahm; den Mittagslunch und die darauffolgende Siesta mit einer seiner Geliebten in deren lauschigem Vorstadtbungalow; und dann die Spätnachmittage auf der Terrasse des Jockey Clubs, wo er sich mit Gin abfüllte, während der Himmel hinter dem Corcovado mit dem Rosarot der Dämmerung vollief. Herzhaft drückte sie einen Kuß auf seine walnußbraune Stirn und spazierte aus dem Salon hinaus und über die Wendeltreppe nach oben, fest überzeugt (irrigerweise), daß ihr Onkel nur eine leere, verbale Pflichtübung abgeliefert hatte, deren es bedurfte, um die Geister der Familie zu besänftigen.
     
    Seit sie begonnen hatte, mit einem der Armen zu schlafen, fühlte sie sich vor Maria nicht mehr so befangen – spürte weniger Angst vor ihrem indianischen Erbteil und dessen Bitterkeit und Schweigen. «Mein Onkel!» schnaubte sie in der Küche. «Er hält mich immer noch für ein Kind, das in die Obhut der Nonnen gehört.»
    «Er liebt dich sehr und will nur dein Bestes.»
    «Warum erzählst du ihm alles? Ich kann Tristão nicht mehr in mein Zimmer mitnehmen, du bist eine Verräterin!»
    «Ich möchte deinen Onkel nicht hintergehen. Er ist sehr gut zu mir.»
    «Ha!» spottete Isabel, während sie sich einen Teller von dem caruru nahm, den Maria eigentlich für sich selbst gekocht hatte. «Er zahlt dir einen Hungerlohn und vögelt dich und verprügelt dich noch obendrein. Ich weiß, daß er dich prügelt. Ich kann die Geräusche aus deinem Zimmer hören, auch wenn du nie zu schreien wagst.»
    Die andere Frau, in deren breite Wangen zwei kleine, diagonale Narbenpaare eingekerbt waren, warf Isabel einen verschwörerischen Blick zu. Ihre Augen waren funkelnde Schlitze, die tief in das aufgedunsene rötlichbraune Fleisch hinabreichten. «Dein Onkel ist ein guter Mann», sagte sie. «Wenn er mich schlägt, dann nur, weil er auf sich selbst wütend ist. Weil es ihn aufregt, ein reicher Mann in einem so armen Land zu sein. Er ist unglücklich, weil dieses Land einem feinen Herrn wie ihm nicht genügend Spielraum bietet. Weil es die rauhen Burschen aus dem Sertão sind, die immer mehr das Sagen haben. Ich weiß genau, daß nicht ich es bin, die er prügelt. Seine Schläge sind sanft, wie die eines Kätzchens, das mit einem Watteball spielt.»
    «Und wenn er dich vögelt? Ist das auch so sanft?»
    Maria gab keine Antwort. In indianischem Schweigen holte sie einen zweiten Teller aus dem Küchenschrank und teilte den caruru,

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