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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Hinauftragen der Reisetaschen seine Hand so lange aufhielt, bis sie das Trinkgeld erhöhten, worauf er die Zimmertür schloß und draußen vernehmlich auf den Boden spuckte. Doch wie die Tage vergingen, begann das Personal, sie ins Herz zu schließen; nur die wenigsten Gäste blieben länger als ein oder zwei Stunden. Es gab einen kleinen Innenhof, in dem ein verwilderter Bougainvilleastock zu gewaltiger Größe herangewachsen war und ihnen Schatten spendete, wenn sie mittags, nach der Rückkehr von ihren Einkäufen, auf einer abgesessenen Holzbank, auf der sich schon der alte Kaffeepflanzer und seine Frau ausgeruht haben mußten, ihren Kaffee einnahmen.
    Ihr Packen Cruzeiros verlor täglich an Wert, und so schien es ein Gebot der Sparsamkeit, ihn schnellstmöglich zu verbrauchen. Sie gingen in die Avenida Paulista und die Rua Augusta und kauften die Kleidung, die sie für das Leben in der Stadt brauchten. Sie speisten in Restaurants, in denen elegante Frauen paarweise an kleinen Tischen saßen, aus hohen Gläsern Cocktails schlürften und sich bemühten, ihre Nasen nicht mit den Orangenscheiben kollidieren zu lassen, die auf den geeisten Rändern steckten. Unter den runden weißen Tischen wisperten ihre endlos langen Beine in seidigen Strumpfhosen, bis hinauf zu den Hüften entblößt von kürzlich Mode gewordenen Miniröcken. Rund um sie her erhob sich São Paulo in Wolkenkratzern aus Zement und Glas, die das Wirtschaftswunder der Generäle bezeugten. Wenn sie gefrühstückt und sich geliebt und gemeinsam geduscht hatten – was oft der Auftakt zu einem neuen Liebesspiel war –, traten Isabel und Tristão auf ihren kleinen Balkon hinaus und wurden von der schwindlig machenden Schlucht begrüßt, die sich vor ihnen erstreckte, gesäumt von einem Wildwuchs von Gebäuden in Gußbeton, der noch vom Regen der vergangenen Nacht gesprenkelt war, und erfüllt vom grellen Mosaik des Straßenlärms. Die anonyme Unermeßlichkeit von São Paulo schien damals wie eine Hoffnung, wie ein riesiges, verzücktes Publikum, das schwerfällig applaudiert. Isabel fühlte in ihrem Inneren ein neues Ich, überlebensgroß wie eine Opernheldin, prahlerisch in seiner Weiblichkeit.
    Daß sie Tristãos materielle Wünsche nur mit dem Geld befriedigen konnte, das sie ihrem Onkel gestohlen hatten, ließ sie mit wachsender Besessenheit um seine physische Befriedigung besorgt sein. Sein Glied, so klein in erschlafftem Zustand, ein Säugling unter dem Häubchen der Vorhaut, konnte ihr Angst einjagen, wenn es zu einer Yamswurzel heranwuchs, steif und dick mit einem lavendelfarbenen Knauf und knorpeligen, purpurschwarzen Adern und Venen. Mit ihrem zarten weißen Körper machte sie sich zur Meisterin dieses Ungeheuers. Die Extreme der Lust, die sie ihm bereitete, steckten die Grenzen ihres Frauseins ab. Gemeinsam sahen sie sich Pornofilme auf dem gebührenpflichtigen Kanal des Hotelfernsehers an, und sie beeilte sich, dem nachzueifern, was die Frauen dort vorführten. Von Mündern hatte sie gewußt, aber sie wollte zuerst nicht glauben, daß Frauen ihren Allerwertesten zu dem hergeben könnten, was sie in den Filmen sah. In den Arsch rein kostet extra, hatte Ursula gesagt. Tristão fand diese Variante unappetitlich, aber sie bestand darauf. Und wirklich, nach einiger Zeit spürte sie noch etwas anderes als Schmerz, eine Berührung ihres Innersten. Auch dies war eine Facette ihres Seins, eine erkundete Grenze. Unterwerfung war eine Reise in die Nacht, von der sie geläutert zurückkehrte.
    «Ich bin deine Sklavin», sagte sie zu ihrem Geliebten. «Benutze mich. Peitsch mich aus, wenn es dir Spaß macht. Du kannst mich sogar schlagen, wenn du willst. Paß nur auf, daß meine Zähne nicht kaputtgehen.»
    «Liebste, bitte!» Tristãos Lächeln wirkte fast albern. Er war fleischiger geworden und weichlicher in seinen Bewegungen. Er trug einen geblümten Seidenpyjama aus einem Laden in Consolação, der sich Krischna nannte. «Ich habe nicht die geringste Lust, dir weh zu tun. Die Männer, die ihre Frauen schlagen, sind nur zu feig, es mit anderen Männern aufzunehmen.»
    «Feßle mich. Verbinde mir die Augen. Und dann berühre mich ganz sanft, ganz sanft, und dann sei wild. Ich sehne mich nach einer Welt, die nur noch aus dir besteht, rund um mich, wie die Luft, die ich atme.»
    «Liebste, also wirklich!» tadelte ihr tapferer Ritter, der nur widerstrebend auf die Fülle der sexuellen Gunsterweise einging, die sie für ihn ersann. Sie ritt rücklings auf

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