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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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und sich am kommenden Morgen wieder bei ihm melden würden.
    «Bis morgen früh hat vielleicht schon ein anderer diese gottgesandte Gelegenheit beim Schopf gepackt», warnte der garimpeiro, wenngleich mit einem Augenzwinkern; dann ließ er sie allein, damit sie mit der schwangeren Mutter des mondgesichtigen Mädchens über den Preis eines Zimmers im oberen Stockwerk des Gasthauses verhandeln konnten. Tristão begann, am Leben im Hinterland Geschmack zu finden – und auch daran, daß ihm seine Frau als Geschäftspartnerin zur Seite stand.

16. Die Goldmine
    Sie beschlossen, nachdem sie bis nach Mitternacht die Köpfe zusammengesteckt hatten, den Claim zu kaufen. Von dem Moment an, da sich ihre Blicke am Strand zum erstenmal gekreuzt hatten, war ihr Leben in Gottes Hand gewesen, und der Gedanke, so unbedacht einen so hohen Einsatz zu wagen, reizte sie beide. Weil sie einander gefunden hatten, glaubten sie an ihr Glück. Sie würden reich werden, und gleichzeitig waren sie in diesen entlegenen Landstrichen von Goiás sicher vor Isabels Vater und seinen Bütteln. Das Rotgesicht nahm alles, was von Tristãos Cruzeirobündel übrig war, dazu den kristallenen Kerzenleuchter, dessen Gegenstück Isabel vor zwei Jahren spontan an Tristãos undankbare Mutter verschenkt hatte. Als das immer noch nicht zu reichen schien und die rosigen Augen des garimpeiros sich im kalten Morgenlicht der Gaststube abzuwenden drohten – wobei sie immer schmäler wurden, als wollten sie sich über der Vision seines geliebten «Schätzchens» schließen –, bot ihm Isabel noch einen Orden an, der ihrem Vater vom König von Thailand für seine Dienste als Brasilianischer Vizekonsul verliehen worden war und den sie aus einem Sekretär in seinem Schlafzimmer gestohlen hatte. Auf der schweren, an Bändern hängenden Scheibe war ein gekrönter Elefant abgebildet, um den sich eine Inschrift in fremdartigen Buchstaben rankte, die an einen Zauberspruch denken ließen. Der schwielige Daumen mit seinen Büscheln aus rotem Haar liebkoste das sanfte Relief aus seidigem Metall, so kupferrot getönt wie er selbst, und das Geschäft war abgeschlossen. Der Vertrag, der die Rechte an dem Claim verbriefte, wurde aus dem zweiten Stiefelschacht hervorgezogen; er bestand aus mehreren Blättern, die zusammengefaltet und ebenfalls von seiner Ferse geformt und mit einem gelblichen Farbton versehen worden waren. Ihn zu entziffern bereitete Tristão Kopfzerbrechen, doch um die Form zu wahren, starrte er etliche Minuten lang auf das pompöse Chaos aus amtlichen Siegeln, winzigen Druckbuchstaben und großspurigen, offiziellen Unterschriften.
    Der Omnibus, der sie von Goiânia nach Curva do Francês gebracht hatte, kehrte jetzt, nachdem der Fahrer seine Lust an seiner Herzensdame in den dschungelgleichen Vororten gestillt hatte, wieder nach Goiânia zurück. Tristão und Isabel organisierten eine Mitfahrgelegenheit auf die Serra do Buraco in einem Ochsenkarren, der kein Dach, aber zumindest hohe, durchbrochene Seitenwände hatte. Vier ausgemergelte Ochsen zogen ihn in einem Tempo, mit dem ein rüstiger Fußgänger Schritt gehalten hätte, über eine grasbewachsene Fahrspur, die meistens bergauf führte und nur hin und wieder von kleinen Tälern unterbrochen wurde, in denen sich biegende Planken ausgetrocknete, kieselige Bachläufe überbrückten.
    Für einige Stunden teilten sie ihr holperndes Gefährt, dessen harter Boden mit einer Streu aus altem Zuckerrohr gepolstert war, mit drei Mestizen, die entweder selbst garimpeiros waren oder von den garimpeiros lebten. Sie staunten über Isabels hellblonde Haare und die beiden blauen Koffer voller Kleider, die so schwer waren, als enthielten sie Wackersteine, und gelangten zu dem Schluß, daß sie eine Prostituierte sein müsse, die auf dem Goldberg arbeiten wollte, und daß Tristão eine merkwürdige Mischung aus ihrem Beschützer und ihrem Sklaven war. Sie ergingen sich in witzelnden Mutmaßungen über ihren Preis und spekulierten, daß es ein gutes Omen für die Serra do Buraco sein müsse, wenn solcher Luxus hier Einzug hielt. Schließlich fanden ihre Anzüglichkeiten körperlichen Ausdruck – eine dunkle Hand strich über den schimmernden Flaum auf ihrem Unterarm –, worauf Tristão den ihm zunächst Sitzenden von den dreien packte und ihm so gelassen, wie er den Bolzen der Motoraufhängung eines Käfers in Position gebracht hatte, einen Faustschlag ins Gesicht versetzte. Der Getroffene nannte ihn knurrend Nigger und Sau,

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