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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Schatten der Müdigkeit unter den Augen. Wenn sie ihre Kleider ablegte, um zu Bett zu gehen, erhellte der Glanz ihrer geschmeidigen Nacktheit die Düsternis der Bretterhütte noch immer; aber obwohl der Anblick sein Herz zu erheben vermochte wie das Bild einer Gewitterwolke, die sich über den Gipfel des Goldbergs ins Sonnenlicht schob, erregte er seinen Körper nur noch selten.
    «Du liebst mich nicht mehr so wie früher», beklagte sie sich, verständlicherweise.
    «Nichts hat sich verändert», protestierte er. «Meine Liebe ist wie die Mutter Gold; sie ist unwandelbar, auch wenn sie sich zur Zeit verbirgt.»
    «Das Gold ist nicht nur deine Mutter, es ist zu deiner Frau geworden. Selbst am Sonntag arbeitest du, und trotzdem sind wir fast am Verhungern. Du findest erbärmliche Körner und Krümel und wirst von den Wiegemeistern der Kooperative noch betrogen und vertrinkst die Hälfte von dem, was übrig bleibt, auf dem Heimweg.»
    Es stimmte, Zuckerrohrschnaps wurde auf den Berg geschmuggelt und zu weit überhöhten Preisen verkauft, und Tristão, in seiner Sehnsucht, so zu sein wie die anderen garimpeiros, ließ sich oft zu einem oder zwei Gläsern überreden. Das alte Leiden seiner Mutter, das er so verachtet hatte, stand in ihm wieder auf. Wenn sein Gehirn genügend eingenebelt war, öffnete sich eine leuchtende Höhle in der undurchdringlichen Felswand des Lebens, und er konnte hineinkriechen. Sein stolzer, eigenwilliger Geist, der damals am Strand so gebieterisch gefordert hatte, daß er dieses Püppchen aus dem Geflecht von anderen Körpern herauslöste und zu seiner Frau machte, verrottete genauso, wie das LONE-STAR-T-Shirt unter Sonne und Schweiß verrottet und die Säule seines Claims von der langen Reihe seiner rückgratbrechenden Tage weggenagt worden war.
    Isabel sah den Schmerz, den ihre Worte plötzlich in das Gesicht ihres Mannes brachten, und den Schatten von Wankelmut und Niederlage, der über die Bastion seiner Stirn zog, und es tat ihr selbst nicht weniger weh. Aber sie hatte erkannt, daß sie eine Distanz zwischen sich und ihm schaffen mußte, wenn sie als ein eigenständiges Wesen überleben wollte. In ihren ersten Monaten als seine Goldgräberbraut hatte sie sich wie eine Sklavin verhalten und nichts anderes im Sinn gehabt als sein Wohlbefinden und sein Selbstbewußtsein, während er sich an das Martyrium in der Grube gewöhnte. Sobald er die Hütte verlassen hatte und sie allein zurückblieb, war sie in eine Art Dämmerzustand verfallen, den plätschernden, vergifteten Bach im Rücken und vor der Hüttentür die öde, sonnenverbrannte Straße mit der primitiven Tankstelle, der stark in Anspruch genommenen Leichenhalle, dem überteuerten Lebensmittelmagazin mit seinem schmalen Angebot und den immer zahlreicher werdenden Maniküresalons. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, sich eine Arbeit zu suchen, aber für ihre Fähigkeiten – die Parkettsicherheit des reichen Mädchens und die Wissensbrocken der Studentin – bestand hier keinerlei Bedarf. Sie hatte nur einen einzigen Aktivposten, dem die Männer auf der Straße laut pfeifenden Tribut zollten, wann immer sie die Hütte verließ und in die grelle Außenwelt hinaustrat, wo Gewittertürme über dem zerzausten Scherenschnitt der Berge strahlend leuchteten, aber kaum jemals Regen brachten. Wenn es tatsächlich einmal regnete, so war es ein bösartiger Regen, betäubend und blendend, der die breite Schotterstraße unterspülte und die Wellen des Bachs bis zur Schwelle der Hintertür peitschen und rollen ließ.
    Isabel war in der Hütte geblieben, hatte geschlafen oder gelesen – ziellos herumgelesen, um ihren rasenden Hunger auf irgendeine Welt zu stillen, die anders war als diese hier. Die Schürfwerkzeuge und die Vorräte, die von den Fabriken an der Küste hierhergeschickt wurden, waren in Zeitungspapier und in die herausgerissenen Seiten von Illustrierten eingewickelt, und auf diesen Blättern fanden sich Fragmente von Geschichten, die schon Jahre alt waren, illustriert mit Bildern ihrer Heldinnen in längst nicht mehr aktueller Mode und angereichert mit Klatschberichten über populäre Sänger oder Fußballspieler, die inzwischen ein gesetztes Alter erreicht oder bei ihren Ausschweifungen den Tod gefunden hatten. Doch die Geschichten, die sie kaum einmal bis ans Ende verfolgen konnte, waren zeitlos – die fünf oder sechs grundlegenden Fakten der menschlichen Existenz in endloser Wiederkehr, so wie die Pfeile, die mit den Körpern

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