Brasilien
solchen Umarmung aufgezehrt werden sollten, hätte ihr Dasein die Gestalt einer Blume gewonnen, deren weiche Blüte sich dem Licht des Lebens öffnet.
Und er, fassungslos vor ihrer Leidenschaft, die so verschwenderisch und extravagant war wie eine luftwurzelnde Orchidee, die keiner festen Nahrung bedarf, er ließ sich selbst dann noch von ihr erregen, als seine Lebenskraft schon so verbraucht war, daß ihm seine eigenen Knochen wie schwere Steine vorkamen, die er in einem dünnen Sack aus Haut über die dornigen chapadões schleppte und abends wie in Trance auf das harte Lager fallen ließ. Zu schwach, sich selbst vom Boden zu erheben, beobachtete er traumverloren, wie sich die nackte Isabel über seine Hüften spreizte und auf seiner Rute niederließ. Trotz allen Hungerns waren ihr Bauch, ihre Hüften und der zartbehaarte Venushügel noch immer leicht gerundet, mit letzten Resten ihres weiblichen Fetts gepolstert. Erst trocken und schmerzhaft, dann feucht und saugend stülpte sich ihre Spalte über ihn, glitt hinunter zu den teerig schwarzen Wirbeln seines Schamhaars und hob sich wieder und senkte sich und hob sich, und ihre klein gewordenen Brüste zitterten an ihrem weißen Oberleib, auf dem sich ihre Rippen abzeichneten wie die Rippen eines Palmblatts.
Hunger ist nur am Anfang quälend, ein knurrender, nagender Eindringling im eigenen Leib. Bald wird er zum Narkotikum, zu einem gewohnten, dunklen Dämmerzustand, in dem sich das Bewußtsein ohne Widerstände treiben läßt. Selbst die Brüllaffen in den Waldstücken zogen sich scheu unter ihr Blätterdach zurück, um die Gespenster passieren zu lassen, zu denen Tristão und Isabel geworden waren. Auf feuchten Sandflecken entdeckten sie frische Spuren von Pakas und Tapiren, aber die Tiere selbst bekamen sie nie zu sehen und wären auch zu schwach und viel zu langsam gewesen, um sie zu fangen. Isabels Botanikkurse befähigten sie, alle möglichen Palmenarten zu unterscheiden – die Buriti-Palme mit ihren steifen, fächergleichen Wedeln; die Bacaba-Palme, deren Wedel sehr lang und gebogen waren und zerzaust aussahen; die niedrigwachsende Nacurý-Palme, die dornige Boritana-Palme mit ihrem schlanken Stamm, die in Feuchtgebieten vorkam, und die sogar noch schlankere Accashy-Palme, deren Stamm so gerade in den Himmel zeigte wie ein Pfeil. Aber kein einziger von all diesen Bäumen konnte ihnen zu dieser Jahreszeit etwas Eßbares spenden, weder Nüsse noch Palmenherzen. Das blühende Leben, das sie umgab, war wie die höhnische Tapete einer kahlen Gefängniszelle. Einmal stießen sie auf einen vollständig versteinerten Wald, der teils noch aufrecht stand und teils in mächtige Trümmer zerfallen war wie ein geschändeter Tempel, dessen zerschellte Säulen von den kriechenden Salzen moosgrün und rosig, tödlich weiß und himmlisch blau gefärbt waren. Welcher Gott war hier so inbrünstig verehrt worden und doch gestorben?
Als die beiden am Ende ihrer Kräfte angelangt waren, fielen ihnen die leuchtenden Kolibris auf, die Blütenküsser, die mit smaragdgrünen Rücken und gelben Brüsten und schwirrenden Flügeln vor ihnen in der Luft standen wie Früchte, die darauf warteten, gepflückt zu werden. Tristão und Isabel lernten, die winzigen Vögel zu erhaschen, ihre Hände über dem störrischen Surren der Flügel zu schließen und ihnen mit einem raschen Druck des Daumens die Hälse zu brechen. Sechs oder acht Vögel, mühevoll von ihrem metallisch glänzenden Federkleid befreit und auf Ästen, die dünn sein mußten wie eine Nadel, über dem Feuer gebraten, ergaben wenige Bissen bittersüßes, zähes Fleisch. Manchmal kam es auch vor, daß sich das Paar plötzlich inmitten eines Kreises von reifen Cashewbäumen befand, einer Anpflanzung, die irgendein flüchtiger, längst weitergezogener Siedler hinterlassen hatte. Dann stürzten sie sich auf die Früchte und schlangen alles, was sie mit ihren Händen erreichen konnten, in sich hinein, die Nüsse sogar mitsamt der dicken Haut. Und so schleppten sie sich weiter, von einer Henkersmahlzeit zur nächsten, durch einen immer dichter werdenden Dschungel, in dem sie die nach Westen fliehende Sonne kaum noch sehen konnten und das Tageslicht oft nur ein fernes, eisiges Funkeln über den höchsten Rängen des Blätterdachs war.
Sie hatten ihre Zeit zu zweit allein mit dem Durchschwimmen des lehmig-braunen Flusses begonnen, an dem sie ihr schicksalhaftes Lager aufgeschlagen hatten. Als Schwimmhilfe sollten ihnen zwei mächtige
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