Brasilien
Baumwollfasern ausgestopft war – weich genug, um angenehm getragen werden zu können, dachte sie, und doch so widerstandsfähig, daß keine Pfeile hindurchdringen konnten. Alles, was die Männer am Leibe trugen, zeugte von jahrelangem Gebrauch und allen Unbilden der Witterung. Einige hatten ihre Lederhüte durch solche aus geflochtenen Palmblättern ersetzt, und andere trugen statt Hüten nur Kopftücher. Manchen fehlte ein Bein oder ein Arm oder beides, und wieder andere hatten Musketen oder Arkebusen bei sich. Als sie Isabels Stimme hörten, steckten sie entzückt die Köpfe zusammen. Es war, als wäre ein silberhelles, jubilierendes Spinett aus Venedig oder Antwerpen zu diesem fernsten Vorposten der Zivilisation gebracht worden. Ewigkeiten waren vergangen, seit sie zum letztenmal die Stimme einer weißen Frau gehört hatten. Zu ihrem Haufen gehörten noch etwa zwanzig Indianer, deren Bekleidung vom Adamskostüm bis zu den bauchigen Hosen und Hemden eines Feldarbeiters reichten. Ein finster blickender Wilder trug gekreuzte Papageienfedern im Gesicht, die durch die Nasenscheidewand gezogen waren. Andere hatten ihre Nacktheit mit Armbinden aus Affenfell und vielfädigen Halsketten mit Flußperlmuscheln verschönt. Alle aber, auch die mitziehenden Frauen, die kleine Kinder auf den Armen oder in ihren Bäuchen trugen, schienen in diesem zusammengewürfelten Haufen friedlich miteinander auszukommen, und alle drängten sie sich, lästig wie die Augenlecker-Bienen, um Tristão und faßten ihn fest und schamlos und überall an und inspizierten alle seine Körperteile, als wäre er ein seltenes, mechanisches Spielzeug.
Isabel zu berühren wagten sie nicht so leicht, und sie versuchte, ihre Autorität nutzbar zu machen, indem sie sich schützend vor Tristão drängte. Doch die Grobheit, mit der sie zur Seite gestoßen wurde, zeigte ihr schnell, daß die Ehrfurcht vor ihrer blassen Schönheit Grenzen hatte. Sie spürte auch eine Grenze in der Bereitschaft dieser ledernackigen Glücksritter, ihrer leisen Frauenstimme und ihrem Carioca-Akzent Gehör zu schenken. Trotzdem drückte ihr der Anführer der Rotte, der Mann mit dem Degen, in einer merkwürdigen Geste der Ehrerbietung die Kette von Tristãos Halseisen in die Hand, als wolle er den Vorrang ihres Besitzanspruches anerkennen.
«Ich habe Angst, Tristão», flüsterte sie ihm zu.
«Warum? Das sind doch deine Leute.» Sein feindseliger und bitterer Tonfall tat ihr weh. Eine Kluft war plötzlich zwischen ihnen aufgebrochen, nach dieser langen Reise, auf der ihre dahinschwindenden Körper eins gewesen waren. Seine Stimme erweichte ein wenig. «Wenigstens werden wir zu essen bekommen. Diese Schufte sind so fett wie Schweine.»
Auf einem allmählich breiter werdenden Pfad marschierte die Gruppe hügelabwärts zum Fluß. Abgeerntete Felder und Plantagen mit Manioksträuchern und Bohnenbeeten kündigten die Siedlung an, die aus einer Anzahl von verstreuten Rundhütten mit Palmendächern bestand, einige nach Indianerart luftig und offen, andere mit festen Wänden aus Baumstämmen und getrocknetem Schlamm, um dem europäischen Bedürfnis nach Abgeschlossenheit zu genügen. Entlang des Flußufers erstreckten sich Lattengerüste, auf denen Fische trockneten, und über Bögen aus jungem Stangenholz waren Netze ausgespannt. Zwischen Holzspänen und wenigen, rostigen Eisenwerkzeugen lagen mehrere Einbäume in verschiedenen Stadien der Bearbeitung. Eine von der Sonne zerfressene bandeira, in deren ausgebleichten Falten ein Kreuz und ein gestreiftes Wappen zu erkennen waren, hing schlaff von einem Bambusrohr, das auf dem Dachfirst des größten Bauwerks dieser Siedlung angebracht war, einem offenen, langgestreckten Haus, in dem alle Dorfbewohner Platz fanden. Hier wurden die Gefangenen, nachdem sie eine Stunde lang von flinken und beharrlichen Indianerhänden gefüttert und gebadet worden waren, einer Vollversammlung vorgestellt. Ihr Entdecker führte sie durch die aufgeregte Menge zu einem zweiten, bronzegesichtigen Mann, der ihm ähnlich, aber älter und schlanker war. Er saß in einem Korbstuhl, dessen hohe Rückenlehne aus Weidengeflecht mit einem gesprenkelten Jaguarfell, komplett mit zähnefletschendem Schädel, überzogen war, was ihm die Würde eines Throns verlieh.
«Ich habe die Ehre, der Hauptmann dieser bandeira von tapferen und gottesfürchtigen Paulistas zu sein», verkündete er und machte sich mit ironisch volltönender Stimme bekannt: «Antônio Álvares Lanhas
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