Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
umgestürzte Palmstümpfe dienen, doch das verrottete Holz sog sich mit Wasser voll wie ein Schwamm und sank bald unter ihnen weg. Über die letzten hundert Meter mußte Isabel gezogen werden, ihre weiße Hand auf Tristãos feucht glänzender Schulter wie ein Blutegel auf einem schwarzen, feucht glänzenden Fisch. Zu ihrem Glück waren die Piranhas, deren tastende Mäuler sie an ihren stoßenden Knöcheln spürten, nicht an Menschenfleisch und an menschliche Bewegungen gewöhnt, und keiner der ziellosen Bisse ihrer Kiefer lockte den Blutstropfen hervor, der sie in einen mörderischen Rausch versetzt hätte. Als er schon vor Erschöpfung aufgeben wollte, spürte Tristão sandigen Grund unter den Füßen und konnte keuchend, mit Isabel im Schlepptau, bis ans jenseitige Ufer waten. Ohne es zu ahnen, waren sie von dem Teil des planalto, dessen Flüsse nach Süden in den Paraguay fließen, in das Land der Paressi hinübergewechselt, in dem alles Wasser nach Norden strömt, tausend Meilen weit zum Amazonas.

21. Die Rettung
    Wochen waren vergangen. Sie hatten sich hingelegt, um zu sterben. Ein kleiner Hain aus wilden Wachspalmen spendete ihnen angenehmen, wechselnden Schatten. Zwischen den schlanken, gewellten Stämmen öffnete sich der Blick auf einen mit Gras und niedrigem Buschwerk bewachsenen Abhang, der wieder zu einem Fluß hinunterführte, an dessen anderem Ufer sich wieder ein neuer Hang des scheinbar grenzenlosen chapadão erhob. Es war spät am Nachmittag; die dünnen Schatten woben ihr weiches Netz dichter, und die Moskitos und die kleinen Sandmücken begannen die Stiche auszuteilen, für die Tristão und Isabel längst fühllos geworden waren.
    Die Liebenden hielten sich bei den Händen und wandten ihre Gesichter nach oben zum Licht. Er hörte, wie ihr Atem langsamer und rasselnder wurde, und blickte sie noch einmal an, um ihr Profil zu sehen, die sonnenverbrannte Stirn, umgrenzt von blonden Haaren, die an der Schläfe wie schimmernde Federbüschel zurückwichen, und weiter unten die vorgewölbte Wangenlinie, die Sinnlichkeit und Übermut und Eigenwillen signalisierte, wie er es schon bei ihrer ersten Begegnung vermutet hatte. An ihrer abgezehrten Hand stießen seine Finger auf die haltlos rutschende, harte Rundung des DAR-Rings, den er ihr vor Ewigkeiten geschenkt hatte, und seine Augen, die fast genauso stumpf waren, stießen, ein Stück weit hinter Isabels Gesicht, auf den Anblick von Lederstiefeln mit hohen Stulpen, ganz zerschlissen schon von Zeit und Wetter. Es wurden immer mehr Stiefel, Männerstiefel mit dem verbrauchten, plumpen Aussehen von Tierfüßen, und über ihnen wurden zerfetzte Pumphosen aus einem rauhen, verfilzten Stoff in einer Vielzahl von verblichenen Farben sichtbar.
    Tristão wollte sich aufsetzen, da fühlte er die Spitze eines Degens an seiner Kehle. «Bleib Er nur unten, der schwarze Malefiz», sprach eine tiefe, nicht unangenehme Stimme mit einem höflichen, altmodischen Tonfall, wie ihn Tristão niemals zuvor vernommen hatte. Ein bronzefarbenes Gesicht, das voll, aber nicht weichlich war und von einem breitkrempigen Lederhut und einem Vollbart eingerahmt wurde, lauerte hinter dem reichverzierten Korb des Degens. «Meiner Treu, was für ein Knochenmann Er ist! Hat lang schon nichts zu beißen gehabt, stimmt’s? Da braucht es wahrlich keine lange Rute, um am anderen Ende durchzustoßen. Und was für ein Zauberbild schlummert da neben Ihm? Die holdseligste Prinzessin, will mir scheinen, wie geradewegs vom Hof des guten João Quinto entsprungen. Eine weiße Dame und ein schwarzer Bauer für unser Brett – wohlan, wir werden uns eine prächtige Partie liefern!» Der Mann, und sein Gefolge mit ihm, lachte so schallend, daß Tristão sicher war, es würde etwas Lustiges geschehen. Selbst als sich schwere, rostige Schellen um seine Handgelenke schlossen und ihm ein Geschirr aus Eisen mit einer baumelnden Kette um den Hals gelegt wurde, glaubte er in seiner lähmenden Erschöpfung immer noch, daß es zu seinem Besten wäre.
    Isabel erwachte mit einem leisen Aufschrei, der direkt vom zerfallenden Schauplatz ihrer Träume zu kommen schien. «Tristão», rief sie, «wenn wir gestorben sind, dann hat der Himmel wirklich rauhe Engel!»
    Die rauhen Burschen, es waren insgesamt sechs oder sieben, trugen alle Bärte und verbrauchte, abgenutzte Kleider, die einem Flickenteppich aus Stoff- und Lederresten glichen. Alle hatten einen seltsamen Brustpanzer aus ungegerbtem Tierfell, der mit

Weitere Kostenlose Bücher