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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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verstrichen waren, hatten es alle gelernt, sich auf norwegisch für das Essen zu bedanken.
    „Für ein solches Essen muß man sich doch bedanken!“ sagte Asbjörn, und Grand’mere strahlte wie eine Sonne. Ganz selbstverständlich übernahm Asbjörn alle schweren Männerarbeiten im Hause. Er trug den Abfalleimer weg, holte die Pakete vom Bus und trug den schweren Korb mit der Plättwäsche. Ja, schleppen konnte er! Er hatte Muskeln wie ein Bär, und das sei sein Glück, meinte er, denn seine Filmsachen hatten wirklich ein Mordsgewicht.
    „Heute hätten Sie dabeisein sollen, Grather“, sagte Onkel Ferdinand eines Tages. „Stellen Sie sich vor, wir haben auf eine Entfernung von hundert Metern ein Gamsrudel gesehen! Hätten meine verflixten Touristen nur den Mund gehalten und wären stehengeblieben, wären wir vielleicht näher an das Rudel herangekommen. Der Wind stand nämlich uns entgegen - aber natürlich mußten diese Leute rufen und einander Zeichen machen, und da war es aus!“
    „Ich glaube, ich muß Sie bitten, mich eines Tages zu führen“, bat Asbjörn.
    „Ja!“ rief ich. „Da komme ich mit. Sag mal, Onkel, glaubst du, es wäre möglich, dem Adlerhorst so nah zu kommen, daß man ihn filmen könnte?“
    „Möglich ist es“, meinte Onkel Ferdinand. „Aber nur falls Herr Grather ein wenig klettern kann und schwindelfrei ist.“
    So planten die Männer eine Tour zu einem Absatz auf der Nordseite der Aiguille d’Argent. Tante Cosima plante die Einkäufe des nächsten Tages. Grand’mere plante ganz bestimmt das Sonntagsessen, und ich plante überhaupt nichts. Ich saß nur da und war glücklich!
    Niemals werde ich die erste Tour zu einem Sonnenaufgang zusammen mit Asbjörn vergessen.
    Villeverte lag noch in nächtlicher Stille und wie ausgestorben da, als wir loswanderten, er mit Kamera und Stativ und ich mit belegten Broten und Thermos-Kaffee im Rucksack. Es war kalt wie stets vor
    Sonnenaufgang, aber die Luft war wunderbar frisch, rein und klar!
    Noch war es Nacht. Wir waren gräßlich früh aufgebrochen, denn wir mußten den Anstieg zu Fuß machen. Maro und Carlo lagen noch in süßem Schlaf, und die Kabinen der Seilbahn hingen verlassen an ihren Stahltrossen.
    „Du bist gut zu Fuß, Bernadette“, meinte Asbjörn.
    „Vielen Dank für das Kompliment“, antwortete ich lachend. „Onkel Ferdinand hat mich seit meinem zwölften Lebensjahr trainiert!“
    „Aber daheim in Norwegen kommst du wohl nicht viel zum Wandern.“
    „Doch, am Sonntag. Außerdem mache ich morgens immer Freiübungen, um nicht einzurosten.“ Er sah mich lächelnd an.
    „Ich könnte mir denken, daß du auch bei den Freiübungen was taugst.“
    „Das wohl, aber meine Mutter ist noch besser.“
    „Deine Mutter?“
    „Ja. Bis sie wieder heiratete, war sie Turnlehrerin.“
    „Tatsächlich? Und was war eigentlich dein Vater? Er ist doch sehr früh gestorben, nicht wahr?“
    „Ja. Vierzehn Tage nach meiner Geburt. Er war Zirkusartist.“ Asbjörn blieb jäh stehen. „Bitte?“
    „Zirkusartist, sagte ich. Trapezkünstler. Er ist bei einer Vorstellung in Paris abgestürzt.“
    „Da soll doch. du hast doch immer neue Überraschungen, Bernadette!“
    „Findest du das denn so seltsam? Daß mein Vater Artist war, meine ich? Die muß es ja auch geben!“
    „Gewiß, natürlich. aber weißt du, wenn man selber in einer so unbeschreiblich bürgerlichen Familie aufgewachsen ist.“
    „Bist du das? Vielleicht ein wenig zu bürgerlich?“
    „O ja, so kann man wohl sagen.“
    „Aber die Familie meines Vaters ist bestimmt sehr ordentlich und bürgerlich. Mein Großvater hatte einen Hof in Norditalien, wo er Obst anbaute, Kühe und Pferde hielt und jeden Sonntag in die Kirche ging.“
    „Und was haben dein Großvater und deine entzückende Großmutter dazu gesagt, daß dein Vater Zirkusartist wurde?“
    „Sie haben es sehr ruhig aufgenommen. Sie nehmen ja alles mit der Ruhe und so, wie es gerade kommt.“
    „Ja, das stimmt“, meinte Asbjörn. Er schwieg eine Weile, und wir trotteten in stetigem Schritt bergauf. Dann wandte er den Kopf und lächelte mich an.
    „Weißt du, ich glaube, das ist der Charme deiner Familie: diese unbeschwerte Selbstverständlichkeit in allem. Diese Menschen haben etwas an sich, das mich sofort für sie einnimmt.“
    „Sind wir dir also nicht allzu impulsiv?“
    „Impulsiv seid ihr, das stimmt. Sogar bezaubernd impulsiv. Ich weiß nur nicht, ob das am Menschenschlag oder an deiner Familie

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