Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
verkauf; die Geschäfte lockten mit so niedrigen Preisen, daß ich meinen Augen kaum zu trauen glaubte. Und wir, die wir nun alles brauchten - Gardinen und Tischtücher, Handtücher und Bettzeug, Möbelbezüge und Küchengeschirr! Wäre es nach meinem Kopf gegangen, wären wir drei Tage lang nur noch durch Geschäfte gewandert, wir hätten uns damit abgefunden, geknufft und gestoßen zu werden, wir hätten uns mit anderen Kunden um billige Reste gerauft und unsere Wohnung mit allem ausgestattet, was wir an Textilien brauchten.
Aber es ging nicht nach meinem Kopf. Wir kauften zwar ein paar Meter Gardinenstoff, doch damit hatte Asbjörn genug.
„Nein, tausend Dank!“ sagte er. „Da haben wir noch ein paar kostbare Sommertage zusammen, und die sollen wir damit vergeuden, daß wir in großen Kaufhäusern Schlange stehen? Nein, ohne mich!“
„Aber Asbjörn, wir haben doch hoffentlich noch viele, viele schöne Tage vor uns - Tage, an denen kein Ausverkauf ist - und gerade jetzt sollten wir die Gelegenheit beim Schopf packen!“
„Ach was, so groß ist der Preisunterschied bestimmt nicht.“
So blieb es beim Gardinenstoff.
„Sag, Asbjörn, gibt es in Frankfurt nicht auch eine gute Bildersammlung?“
„Bestimmt. Aber du willst doch nicht etwa bei diesem schönen Wetter in Museen gehen?“
Nein, also gut, keine Museen. Ich konnte auch im Winter in Museen gehen, das stimmte. Aber ich hatte Asbjörn nicht erwidert, er könnte auch im Winter, so viel er nur wollte, in den Zoo gehen, damit könnte er warten; wir sollten lieber für unseren Hausstand etwas einkaufen.
Ich gönnte ihm von Herzen die Freude, zu seinen lieben Tieren zu gehen und sie mir zu zeigen.
Wie schön wäre es gewesen, wenn er mir ein paar Stunden in einer Gemäldegalerie gegönnt hätte!
Wir verbrachten in Frankfurt eine sehr schöne Zeit, daran ist nicht zu zweifeln. Wenn Asbjörn zu Feldmann mußte, wanderte ich in der Stadt umher und lernte sie kennen. Eines Tages ging ich auch in eine Galerie, aber ich kam mir dort so einsam vor. Wenn Asbjörn seine lieben Tiere besuchte, war ich mit ihm zusammen, und diese Besuche waren für uns eine gemeinsame Freude - so gern hätte ich mir mit ihm zusammen auch Kunstwerke angesehen.
Dafür hatten wir andere gemeinsame Freuden. So saßen wir in einem gemütlichen Gartenrestaurant am Main und tranken einen leichten Wein - so leicht war er, daß sogar Asbjörn trotz Autofahren ihn trinken konnte. Wir waren im Goethehaus, und als sich Asbjörn eines Tages in einen alten Schrank in einem Möbelgeschäft verliebte, wo kein Ausverkauf war, sondern vornehme Ruhe herrschte, gingen wir hinein, sahen ihn uns an und kauften ihn.
Aber wenn ich die eine oder andere Kleinigkeit sah, auf die ich nun Lust hatte, schwieg ich. Ich dachte an die Wachsstäbchen in Zermatt und an den Sessellift am Großen St. Bernhard. Ich wollte kein Nein hören, oder ein „nicht jetzt“ oder „wozu denn?“.
„Jetzt braucht Feldmann mich nicht mehr“, sagte Asbjörn eines Tages. „Wir müssen wieder hinunterfahren, damit ich diesen Unfall filme, den ihr haben wollt, Feldmann und du. Was hältst du davon, wenn wir morgen langsam wieder nach Süden zuckeln? Ich hätte so gern ein wenig mehr Zeit bei dieser Fahrt, daß wir uns nicht so abzuhetzen brauchen wie auf der Fahrt herauf. Es gibt auf dieser Strecke so viel zu sehen. Der Zoo in Basel, weißt du.“
„Und vielleicht kennst du eine Katze in Lörrach und ein altes Schaf in Bern.“
„Nein, aber ich kenne das Münster in Freiburg, das heißt, ich kenne es eben nicht, weiß nur von ihm und würde es so gern einmal sehen. Und du, Bernadette, hast du einen besonderen Wunsch für diese Reise?“
„Ja!“ rief ich. „Ach, Asbjörn, ich habe einen brennenden Wunsch! Du darfst alles bestimmen, jeden Tag und jede Stunde - ich bitte dich nur um drei Stunden unserer Ferien! Wenn wir in Freiburg sind, ist es nur noch ein kleiner Sprung nach Colmar - ich möchte so wahnsinnig gern den Isenheimer Altar sehen.“
„Colmar?“ wiederholte Asbjörn verwundert. „Aber liebes Kind, wir fahren doch nicht nach Frankreich!“
Da stieg eine Angst in mir auf - er würde doch jetzt nicht nein sagen? Nachdem ich soeben erst erklärt hatte, ich hätte einen brennenden Wunsch? Es war das einzige, was ich mir wirklich wünschte.
„Was ist denn? Die Entfernung wird doch nicht dadurch größer, daß wir über eine Grenze müssen! Ich weiß, es ist nur ein kurzes Stück - eine Stunde hin und
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