Brausepulver für den Papst
wohnen sicher die Bischöfe und Kardinäle, um barfüßig und in Lumpen die Nachfolge Christi anzutreten.«
»Nein, Heiliger Vater«, widersprach Justin. »Hier wohnen die Ärmsten der Armen, keine Arbeit, hungrig, krank, ohne Pflege, ohne Geld, ohne Zukunft.«
Der Papst war bestürzt. Auf einmal sah er mehr, als er sehen wollte. »Und diese vielen schmutzigen Kinder! Betreibt man hier keine Verhütung?«
»Die verbietet ihnen die Kirche.«
Der Papst schwieg bedrückt. Als sie in die Prachtalleen kamen, wo die Villen und Kirchenpaläste standen, wurde er allmählich wieder zuversichtlicher. Offenbar war die Welt doch noch in Ordnung.
»Oh, hier wohnen sicher all die fleißigen Bürger dieser Stadt, die mir am Flughafen so zugejubelt haben.«
»Nein, Heiliger Vater«, machte Justin seine Hoffnungen zunichte. »Hier residieren die Bischöfe mit ihrem Stab.«
Die Begleiter des Papstes waren ganz still geworden. Sie wussten zwar nicht, welch unseliger Geist in ihr Oberhaupt gefahren war und ihm diese Besichtigungstour zugeflüstert hatte, aber eines wussten sie genau: Auf keinen Fall durfte die Presse auch nur den kleinsten Windhauch von diesem Ausflug kriegen. Das wäre das Ende der göttlichen Herrschaft auf Erden und damit auch das Ende der päpstlichen Begleiter.
Der Bischof und die beiden Kardinäle sahen sich durchdringend an. Ihre Blicke sagten mehr als tausend Worte. Schweigen hieß die Losung. Gottseidank waren sie unter sich. Dem Fahrer des Jeeps würde man das mit einer entsprechenden Summe auch noch beibringen. Und wenn nicht – wie hieß das alte Sprichwort? Schweigen bringt Brot, reden den Tod. Oder so ähnlich.
Justin zeigte dem Papst noch viele andere Attraktionen, die dieser sonst nie zu sehen bekommen hätte. Der Papst war tief berührt. Dieses Elend! Dieser Schmutz! Diese armen, armen Kinder! Da musste etwas unternommen werden. Der Papst drehte sich zu seinen Begleitern herum und erklärte mit fester Stimme: »Heute Nachmittag werde ich eine öffentliche Rede halten.«
Und dann erläuterte er seinen atemlos lauschenden Zuhörern, dass er gedenke, die Reichen an ihre Christenpflicht zu erinnern, die diese ganz offensichtlich vergessen hätten, und sie unmissverständlich aufzufordern, ihr Hab und Gut zu teilen wie der heilige Martin seinen Mantel. Außerdem habe man wohl vergessen, dass die Bibel ein Buch der Metaphern sei, man müsse diese zu lesen wissen, es heiße zwar: Lasset die Kindlein zu mir kommen, aber nicht: Lasset die Kindlein sich unendlich vermehren. Das sei eine völlige Fehlinterpretation. Deshalb sei es höchste Zeit, die Pille und Kondome zu verteilen. Selbstverständlich kostenlos.
»Und überhaupt, mein lieber Bischof, scheint sich die Kirche hierzulande nicht mehr daran zu erinnern, dass Geben seliger ist denn Nehmen!«, wetterte der Papst, der sich in Schwung geredet hatte und nun energisch forderte, dass von den Kirchenschätzen Wohnungen und Kinderheime gebaut werden sollten.
Der Bischof und die beiden Kardinäle sackten in sich zusammen. Was sollten sie bloß tun, um den Papst von solch törichten Gedanken abzubringen?
Schließlich brachte Justin den Papst in sein Acht-Sterne-Hotel. Dort setzte der Heilige Vater seine Worte sogleich in die Tat um. Er ließ alle Obdachlosen der Stadt einladen und ein kaltes Buffet für sie auffahren. Der Bürgermeister, der Bischof und die Kardinäle hatten Glück, dass sie nicht servieren mussten. Die Herren hatten jetzt ganz andere Sorgen. Die Speisung der Massen wurde schon in der Bibel gelobt, aber auf keinen Fall durfte der Papst diese verhängnisvolle Rede halten. Der Bischof und seine Kardinäle setzten Himmel und Hölle in Bewegung, um diesen Auftritt zu verhindern.
Justin hatte sich klammheimlich davongemacht. In dem ganzen Durcheinander hielt ihn niemand auf. Er fuhr zum Flughafen, denn Barbara und Fiona mussten dringend zurück nach Deutschland. Ihr Spesenkonto war erschöpft. Außerdem drängte
Rat & Tat
auf den zu erwartenden Exklusivbericht und die brisanten Fotos.
»Das war ja ein gelungener Streich!« Lachend umarmten sich die Drei.
»He, ich möchte auch geküsst werden!«
Hinter ihnen stand plötzlich Midian, im Alternativ-Look gekleidet, ein Rucksack-Tourist, der den Papst begrüßen wollte. Fiona, Barbara und Justin fielen ihm um den Hals, bis die strengkatholische Flughafenaufsicht missbilligend herüberschaute.
»So, wie es lief, hätten wir den Papst doch noch entführen können«, grinste
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