Braut der Nacht
nahe.
»Was soll die Verzögerung, Schätzchen? Geh weiter«, sagte Avin und ließ die Kugel mit meinem Blut in seiner Hand aufblitzen.
Ich zuckte zusammen und lief wieder hinter ihm her. Aber meine Augen suchten die Straße ab, und mit der Nase filterte ich die Gerüche. Die einzige Menschenseele, der wir begegneten, war ein Penner mit Säufernase, der Avin seinen eigenen Worten nach »zu unattraktiv« war. Ich wollte nicht wissen, was er von Bobby halten würde, mit seinen breiten Schultern und der raubtierhaften Haltung.
Aber mir blieb keine Zeit mehr, um Avin abzulenken.
Bobby und Steven bogen vor uns aus einer Sackgasse. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, hatten sie sich auf die Fährte der Schlange vom Ort der Ermordung Justins gemacht– offensichtlich führten unsere beiden Spuren hierher. Bobbys Blick landete auf mir– wie könnte er mich in meinem lächerlich bauschigen Ballkleid auch übersehen–, und er steuerte geradewegs auf mich zu.
»Also, das kommt der Sache schon näher«, meinte Avin und blieb unvermittelt stehen. »Von den beiden Körpern ist mir jeder recht.«
»Nein.«
Avin legte seinen verunstalteten Kopf schief. »Das haben wir doch schon durchgekaut, Schätzchen.«
Ich zuckte zusammen, als er die Hand hob, flüsterte aber zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Das sind Gestaltwandler.«
»Wirklich?« Er drehte sich wieder zu Bobby und Steven um. »Nun, da bin ich nicht voreingenommen.«
Verdammt. Ich hatte wirklich gehofft, dass ihn dies abschrecken würde.
Als Bobby sich näherte, glitt sein Blick über meine Haltung, das getrocknete Blut auf meinen Armen und das frische Blut, das mir aus dem Ohr lief, und er tat, was jeder Shifter für seinen Dyre oder Torin tun würde. Er baute sich zwischen Avin und mir auf. Er fragte nicht, ob ich Hilfe brauchte. Er nahm sich nicht einmal eine Sekunde, um mich anzusehen. Er wollte mich einfach nur verteidigen. Steven folgte ihm mit verwirrtem Blick.
Bobby verlagerte sein Gewicht nach hinten und duckte sich zum Angriff. Er hatte den Feind korrekt erkannt– wenn das nur irgendwie helfen würde!
Avin strich sich die Kapuze zurück, während er Bobby musterte, und sowohl Bobby als auch Steven sogen beim Anblick seines entstellten Gesichts jäh den Atem ein. Nicht dass es der lebende tote Magier zu bemerken schien. »Oh, der hier ist perfekt.« Avins Blick schnellte von Bobby zu mir. »Ich nehme ihn. Jetzt gleich.«
Scheiße.
»Bobby, schnapp dir die Kugel…!«
Schmerz traf mich mit voller Wucht und riss mich beinahe in Stücke. Durch den roten Nebel sah ich, wie Bobby sich umdrehte, aber ich konnte nichts hören als meinen eigenen Schrei, der mir in den Ohren gellte.
Schwärze drängte sich in mein Blickfeld, als sich das Feuer tiefer fraß und meine Lungen füllte. Die Luft selbst fühlte sich an, als stünde sie in Flammen. Sie entzündete meinen Körper, kochte mein Blut. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht denken.
Dann war es vorbei.
Schwielige Hände zogen mich an den Schultern hoch, und die Welt tat einen Satz. Die Hände schüttelten mich, kühle Finger gruben sich in meine nackte Haut, die bemerkenswerterweise nicht verbrannt war. Ich riss die Augen auf.
Stevens Gesicht erschien vor mir, und aus den Augenwinkeln erhaschte ich Bobbys Mantel. Ich drehte mich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie er zum Schlag ausholte. Mit einem Knirschen landete seine Faust in Avins Gesicht.
Der Magier humpelte rückwärts, und das schleimige Kribbeln seiner Magie erfüllte die Luft. Bobby hatte Avins rechte Augenhöhle zerschmettert, deshalb fuhr nur ein einziges blutunterlaufenes Auge herum, um mich wütend anzufunkeln. Er hob die Hand, und etwas erschien zwischen seinen Fingern. Die Kugel. Meine Eingeweide verkrampften sich, als ich mich gegen den Schmerz wappnete, doch dann hob sich Avins aufgeplatzte Lippe zu einem schiefen Lächeln. Und damit verschwand er.
Ich kniff die Augen zu. Er hatte immer noch mein Blut. Er würde nicht lange fort sein.
Steven schüttelte mich erneut, was meine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. »Wir haben Gesellschaft.« Mit einem Nicken wies er über meine Schulter.
Ich reckte den Hals, dessen Muskeln von der Erinnerung an den Schmerz immer noch spannten, und sah mich um.
Die Tür einer alten Lagerhalle stand offen, und im Türrahmen lehnte ein Mann, der nichts außer dunklen Hosen trug. Er streckte die Hand aus, als greife er nach etwas. Als der Blick aus seinen dunklen Augen sich auf mich
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