Braut der Nacht
einen Krieg anzetteln!«
Nathanials Hände, die meine immer noch umfasst hielten, waren so steif geworden, dass er aus Stein hätte sein können. Tatius lehnte sich zurück, hakte die Daumen in seine Gürtelschlaufen und nahm eine lässige Haltung ein, die so im Widerspruch zu seinem feinen Smoking stand, dass es beinahe frevlerisch wirkte. Die Pose war nur gespielt, das spürte ich in meinen Knochen. Ich kannte ihn kaum, und wenn es für mich schon offensichtlich war, dann musste es jedem klar sein. Er versuchte, Zeit zu schinden, um die Kontrolle über die Situation zu behalten– wenigstens dem Anschein nach.
»Meine Leute wurden gründlich befragt. Niemand weiß etwas über den Tod deines Albinos. Ich würde wetten, dass ebenso niemand etwas über den Mord an deinem Vollstrecker weiß.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Willst du vielleicht in deinen eigenen Reihen aufräumen? Und das in meinem Revier, damit du dich gegen mich und meine Stadt wenden und dein Handeln als Vergeltung rechtfertigen kannst?«
Ich verzog das Gesicht. Er griff nach Strohhalmen.
Hinter mir erklang das leise Schaben von Schuppen auf Zement, und mir wurde bewusst, dass ich es schon eine ganze Weile hörte. Der Geruch nach Schlange wurde stärker, deshalb riss ich meinen Blick von der Mitte des Raums und den beiden Meistervampiren los, die kurz davor waren, sich einen, wie ich nur vermuten konnte, blutigen Krieg zu liefern.
Akane, immer noch in Gestalt einer riesigen, zweieinhalb Meter langen Schlange, richtete sich hinter mir auf. Ihr dreieckiger Kopf mit gebleckten Giftzähnen, die so lang wie meine Finger waren, schnellte auf mich zu. Ich fuhr zurück, dabei stieß ich mit der Schulter gegen Nathanials Rücken und prallte davon ab, als wäre er eine Felswand. Ich bemerkte kaum, dass er ebenfalls herumwirbelte, als die Schlange sich in meinem linken Oberarm verbiss.
Rasender Schmerz zuckte durch meinen Arm, hinunter zu den Fingern und hoch bis über meine Schulter. Ein Schrei entriss sich meiner Kehle, der zu gleichen Teilen nach Angst und Wut schmeckte.
Nathanial packte die Schlange und versuchte, sie von mir loszureißen, riss mich damit jedoch nur nach vorn. Ich verlor jegliches Gefühl in meinem Arm. Das taube Kribbeln breitete sich schnell aus und lief meine Schulter empor. Ich schrie erneut auf, als Schmerz durch meine rechte Hand schoss. Meine Fingerknöchel knackten, bogen sich in entgegengesetzte Richtung, und die Fingerspitzen platzten auf, als meine Krallen die Haut durchbrachen.
Ich staunte nicht. Ich zögerte nicht. Ich schlug einfach zu.
Meine Krallen schlitzten Akanes dicke Schuppen auf und hinterließen vier große, tiefe Kratzer. Die Schlange zuckte zurück, dabei rissen mir ihre Zähne ein Stück Haut aus dem Arm. Schon schlängelte sie sich rückwärts, während ich meine krallenbewehrte Hand auf die klaffende Bisswunde presste.
Die Schlange richtete sich auf und zog sich zusammen, bis sie wieder die Länge einer eins fünfzig großen Frau hatte. Dann platzte ihr Bauch auf, eine Frau stolperte daraus hervor, und die Haut war wieder nichts weiter als die abgestreifte Hülle eines Reptils. Blut lief ihr aus vier tiefen Striemen an ihrer Schulter den Rücken hinunter. Aus ihrem Mund ergoss sich eine Flut fremdartiger Worte.
»Ist das deine Kriegserklärung?«, fragte Tatius die Sammlerin. Seine Stimme war wie eine leise Klinge, die die angespannte Stimmung durchschnitt und noch schlimmere Gewalt verhieß. Nuri, Cormac und Mama Neda waren irgendwann während des Angriffs an Tatius’ Seite getreten, um ihm Rückendeckung zu geben. »Du hast meine Leute ohne Beweis beschuldigt, aber deine Schlange hat meine Gefährtin unzweifelhaft angegriffen.«
»Nein.« Jetzt lag echte Raserei in der Stimme der Sammlerin. Sie streckte die Arme aus, die Handflächen parallel zum Boden. »Zurück, alle von euch!«
Die Taubheit in meinem Arm breitete sich über mein Schulterblatt aus und ließ mir den Brustkorb wie in einem kribbelnden Schraubstock eng werden. Am Rand meines Blickfelds mehrten sich dunkle Flecken und blendeten die Vampire an beiden Wänden aus. Nathanial stand eine Armeslänge von mir entfernt. Ich zwang meine mit einem Mal bleischweren Füße, sich in Bewegung zu setzen, stolperte jedoch beim ersten Schritt, als Dunkelheit in mein Gesichtsfeld kroch.
Arme umschlangen mich und hinderten mich daran zu stürzen. Der seidige Stoff von Nathanials Smoking streifte meine Wange, und ich klammerte mich an ihn. Dann
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