Braut der Nacht
klarte sich meine Sicht genug auf, um die Sorge in seiner Miene lesen zu können, als er meinen Kopf in den Nacken neigte.
»Geht es ihr gut?«, fragte Tatius näher, als ich erwartete.
Ich zuckte zusammen und bereute die Bewegung sofort, als die Taubheit in meine Beine wanderte– die mir prompt den Dienst versagten. Nur Nathanials Arme hielten mich noch aufrecht.
»Ich spüre…« Ich schüttelte den Kopf und presste mein Gesicht fester gegen Nathanials Brust. Seine Körperwärme erreichte mich kaum– oder vielleicht wurde meine Wange auch taub. »Gift?«
»Unmöglich«, wandte die Sammlerin ein, oder zumindest glaubte ich, dass sie es war, aber ihre Stimme klang weit weg. »Vampire sind immun gegen intravenöse Gifte.«
Ich blinzelte, um meinen Blick klar zu bekommen, aber es blieb dunkel. Immun? Vielleicht gegen normales Gift, aber was war mit übernatürlichem Gift? Ich hatte das Gefühl, dass ich die Erste sein würde, um das herauszufinden.
»Eremit.« Tatius’ Stimme klang, als rufe er von tief aus dem Innern einer Höhle. »Bring sie in mein…«
Es war das Letzte, was ich hörte, bevor sich die erstickende Dunkelheit schwer auf mich legte und die Welt verschwand.
Kapitel 14
I ch hatte einen dieser Träume, in denen ich glaubte, wach zu sein, es aber doch nicht war. Oder zumindest hoffte ich, dass es ein Traum war.
Eine Frau, die ich nicht kannte, kniete neben mir, und flickte konzentriert etwas, das sich außerhalb meines Blickfelds befand. Sie hatte etwas getötet, das wie ein Seehund aussah, und trug das Fell um die Schultern wie einen Kapuzenumhang. Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie nicht bemerkte, dass ich sie musterte, und ich sah ihr dabei zu, wie sie eine gefährlich große Nadel in die Höhe zog und den blutroten Faden streckte.
»Wer sind Sie?«, murmelte ich. Meine Lippen waren zu aufgesprungen, zu geschwollen, um die Worte deutlich zu formen.
Die Frau zuckte zusammen. »Sie ist klar.«
Mit wem redet sie? Ich versuchte, mich umzusehen, aber mein Kopf kippte zur Seite. Eine Hand fasste mich am Kinn, dann tauchte Nathanials Gesicht vor mir auf. Einzelne Strähnen seiner Haare hatten sich aus seinem Zopf gelöst und hingen ihm wirr ums Gesicht. Blut befleckte das einst weiße Smokinghemd.
»Bist du okay?«, fragte ich.
Ein paar der angespannten Falten zwischen seinen Augen glätteten sich, als er sich zu mir herunterbeugte und mich auf die Stirn küsste.
Ich versuchte, mich ihm zu entziehen. »Hör auf damit.«
»Du bist ganz eindeutig wieder du selbst«, flüsterte er in mein Haar. Dann richtete er sich weit genug auf, um mir ein gequältes Lächeln zu schenken. »Trink das.«
Nathanial hielt mir eine große Thermoskanne an die Lippen. Ich versuchte, sie ihm abzunehmen, konnte meine Hände aber nicht finden. Okay, also das ist jetzt verstörend. Nathanial ignorierte meine Bedrängnis, sondern hob die Thermoskanne an. Zimmerwarmes Blut ergoss sich in meinen Mund.
Ich verschluckte mich beinahe an dem Schwall Blut und hustete. »Wen hast du umgebracht?«
»Das ist von einer Blutbank. Trink!«
Er hob die Thermoskanne erneut, und ich trank einen weiteren Schluck. Es war furchtbar: lauwarm und voller Chemie. Gerinnungshemmer? Vielleicht. Ich schluckte noch einen Mundvoll und musste würgen. Als würde man Schlamm aus einem Tümpel trinken.
Ich zwang mich zu einem weiteren Schluck. Was geht hier vor? Wo bin ich? Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war die Schlangenfrau. Sie hatte mich gebissen. Mich vergiftet.
Ich drehte mein Gesicht von der Thermoskanne weg. »Was ist passiert? Danach?«
»Mach dir darüber im Moment keine Sorgen. Trink!«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte, die Thermoskanne wegzuschieben. Oder zumindest hätte ich es getan, wenn einer meiner Arme funktioniert hätte. Was zum …
Ich sah nach unten. Ich lag in einer großen, freistehenden Badewanne. Mein rechter Arm war mit dicken Seilen an einen Handlauf aus Metall gefesselt. Die Näherin beugte sich über meinen linken Arm. Ich wurde blass, als ich auf die klaffende Schnittwunde starrte, die von meiner Achsel bis zu meinem Handgelenk verlief. Und ich hatte mich geirrt– sie war keine Näherin.
»Was tun Sie da? Wer sind Sie?«
Die in Fell gekleidete Frau blickte von ihrer Arbeit hoch. »Du kannst mich Biana nennen. Gil hat mich um Hilfe gebeten.« Sie bemerkte, dass ich mich im Zimmer umsah, und zuckte mit den Schultern. »Sie wurde ein bisschen grün im Gesicht, als es blutig wurde.
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