Braut der Nacht
selten. Ein paar Mythen existieren in den Geschichten der Menschen. Hast du schon einmal von Selkies gehört?« Ich schüttelte den Kopf, woraufhin sie wieder ihren Fellumhang streichelte. »Nun, jedenfalls wurdest du vergiftet. Ein einziger Tropfen vom Gift der hebi no josei ist für die meisten Lebewesen tödlich. Wenn du sterblich wärst, dann wärst du jetzt mausetot.«
»Okay, aber ich bin nicht sterblich. Ich bin nur ohnmächtig geworden.«
»Dein Herz ist stehen geblieben.« Biana lächelte mit einem Mund voll nadelspitzer Zähne. »Wir waren gezwungen, deinen Körper völlig ausbluten zu lassen.«
»Ihr wart was?« Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich, und schwarze Pünktchen tauchten am Rand meines Gesichtsfelds auf. Ich blinzelte sie fort. »Und mein Arm?«
»Dort konzentrierte sich das meiste Gift, aber es hatte sich auch schon in deinem Körper ausgebreitet.«
»Also habt ihr mir den Arm aufgeschlitzt?«
Sie zuckte erneut mit den Schultern. »Es wird wieder heilen.«
Sie hatte mir den Arm verstümmelt, aber hey, es würde ja wieder heilen! Okay, mein erster Eindruck von Biana war nicht allzu glänzend.
Als ich versuchte, mich aufzusetzen, hinterließen meine Füße Schlieren in dem Blut, das den Boden der Badewanne bedeckte. Von der Anstrengung wurde mir schwindlig, und ich sackte wieder in die Wanne zurück. Nathanial schüttete einen weiteren Blutbeutel in die Thermoskanne.
Als er mir den Metallbehälter hinhielt, schüttelte ich den Kopf. »Ich habe genug von dem Zeug.«
»Trink es! Du brauchst deine Kraft.«
»Hattest du mir nicht mal gesagt, dass ich nur einen halben Liter Blut pro Nacht bräuchte, um zu überleben?«
Nathanial stieß einen Seufzer aus, stellte aber die Thermoskanne nicht weg. »Zuerst einmal müssen wir deinen Grundstock an Blut auffüllen. Und zweitens ist das hier Blutplasma. Es gibt dir nur einen Bruchteil dessen, was du brauchst. Und jetzt trink!«
Ich nahm die Thermoskanne. Der chemische Geschmack legte sich mir an den Gaumen, und mein Magen rebellierte, als er die lauwarme Flüssigkeit aufnahm, aber allmählich kehrte Wärme in meine Haut zurück. Vorsichtig stellte ich die immer noch halb volle Thermoskanne auf dem Wannenrand ab.
»Also, was ist passiert, nachdem ich umgekippt bin? Hatte man Akane befohlen, mich anzugreifen? Gehörte es zum Plan der Sammlerin, mich zu vergiften? Vielleicht besitzt sie ein Gegenmittel?«
»Es gibt kein Gegenmittel für das Gift einer hebi no josei«, entgegnete Biana. »Das Gift wirkt normalerweise innerhalb von Minuten tödlich, aber die Wirkung des Gifts auf einen Vampir wurde nie untersucht.« Sie seufzte. »Ich nehme an, das bedeutet, ich muss eine weitere langweilige Abhandlung schreiben, die die Studenten an der Universität zu lesen haben.«
»Ich schreibe sie«, warf Gil eifrig ein, mit der Schriftrolle in der Hand und gezückter Feder, um sich Notizen zu machen.
Biana sah einen Augenblick lang nachdenklich aus, dann nickte sie. »Damit würdest du deine Schuld für meine Hilfe begleichen, aber es steht besser mein Name darauf, nicht deiner. Ich kann die Abhandlung dazu benutzen, neue Fördergelder zu beantragen.«
Enttäuschung huschte über Gils Gesicht, aber sie widersprach nicht. Ich leerte den Rest der Thermoskanne, dann starrte ich meine funktionierende Hand an. Meine Krallen waren immer noch draußen. Ich krümmte die Finger, um die Krallen einzuziehen. Bei der Anstrengung erfasste mich erneut Schwindel.
Meine Krallen. Das war das zweite Mal, dass sich meine Krallen gezeigt hatten, seit ich zum Vampir geworden war. Werde ich wieder die Gestalt wechseln können. Ist das der Beweis dafür? Es gab niemanden, der mir darauf eine Antwort geben konnte. Niemand wusste es. Auch wenn die Tatsache, der einzige je in einen Vampir verwandelte Gestaltwandler zu sein, mich vor dem Richter schützte, war es einfach beschissen, dass ich mich an niemanden wenden konnte. Ausprobieren war alles, was mir übrig blieb. Also versuchte ich weiter, meine Krallen wieder einzuziehen, aber das zeigte ebenso wenig Wirkung wie in all den Nächten, in denen ich versucht hatte, sie auszufahren. Beide Male waren meine Krallen in Erscheinung getreten, als ich mich in Gefahr befand.
Scheiß auf Meditation, offensichtlich kam meine Katze nur während einer Nahtoderfahrung an die Oberfläche! Wenn ich schon beinahe draufgehen musste, nur um meine Krallen zum Vorschein kommen zu lassen, würde ich dann die Art von Gefahr, die dazu
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