Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kalayna Price
Vom Netzwerk:
wenige Zentimeter.
    Es glich keinem Tanz, den ich je gesehen hatte, aber unglaublich langsam enthüllten ihre Bewegungen eine fünfte Frau. Anders als die anderen Tänzerinnen, die alle einen roten Kimono trugen, war die letzte Tänzerin mit einem blauen, mit Gold verzierten Kimono bekleidet. Sie bewegte sich nicht aus ihrer steifen Pose, bis die anderen Tänzerinnen eine schmale Gasse vor ihr geöffnet hatten. Dann drehten sich die Frauen in Rot und erstarrten in einer tiefen Verbeugung vor der blauen Tänzerin– Akane, höchstwahrscheinlich. Mit quälend kleinen Schritten kam sie durch die Gasse auf uns zu, bis sie etwa einen Meter vor unserer Chaiselongue stehen blieb. Die Trommeln schlugen ihren lautesten Schlag, dann verstummten sie, als sie sich vor Tatius verbeugte.
    Wieder stieg mir der moschusartige, nicht menschliche Geruch in die Nase, und einen kurzen Augenblick lang traf mein Blick ihre dunklen Augen; in ihren Zügen stand deutliches Entsetzen. Schnell verbarg sie den Ausdruck wieder, doch sie verpasste ihren Einsatz, als die Flöte und das seltsame Saiteninstrument ihre ersten zarten Klänge erklingen ließen. Die Musik schwoll zu einer lyrischen Melodie an, und Akanes Bewegungen wurden fließend, das langsame Wiegen ihres Körpers gleichzeitig verführerisch und hypnotisierend.
    Eine der roten Tänzerinnen bewegte sich auf Akane zu, und ohne den schlangengleichen Tanz zu unterbrechen, löste sie Akanes Schärpe und wand Meter um Meter Stoff los. Die nächste Tänzerin half Akane aus dem Kimono, worauf diese nur noch ein hauchdünnes Unterkleid trug. Eine dritte Tänzerin näherte sich und streifte ihr den zarten Stoff von den Schultern. Akane hatte unserer Chaiselongue den nackten Rücken zugewandt, und als das Unterkleid zu Boden rutschte, enthüllte es eine breite Tätowierung, die von ihrer rechten Schulter über den Rücken und die Beine bis zu ihren Knöcheln verlief. Im flackernden Kerzenlicht ließen Akanes anmutige Bewegungen das aufwendige Schlangenhautmuster zum Leben erwachen.
    Sie drehte sich um, ohne den sanft schlängelnden Tanz zu unterbrechen. Die Tätowierung endete mit den Giftzähnen der Schlange, die ihre nackte Brust durchbohrten. Sie winkte der letzten Tänzerin, worauf das Mädchen mit einer kunstvoll verzierten hölzernen Schatulle herbeieilte. Akane öffnete den Deckel und holte eine große Schlangenhaut heraus– die größte Schlangenhaut, die ich je gesehen hatte. Ich erschauderte. Der Schlange, die die abgestreift hat, möchte ich nicht begegnen. Die könnte einen Puma am Stück verschlingen.
    Akane warf sich den Schwanz der Schlangenhaut über die Schulter. Dann drückte sie den Kopf der Haut auf den tätowierten Schlangenkopf. Als sie die Haut wieder fortnahm, war die Tätowierung verschwunden. Die Schlangenhaut dehnte sich aus, als Akane sie sich wie einen Kapuzenumhang über den Kopf zog. Während sie die beiden Seiten vor sich zusammenzog, verschmolzen die Hautränder nahtlos miteinander, und plötzlich stand vor uns keine Frau in einer Schlangenhaut mehr, sondern eine auf ihrem Schwanz erhobene, eineinhalb Meter lange, gedrungene Schlange. Dann glitt sie zu Boden und streckte sich zu dreifacher Länge und halber Breite.
    Als sich die riesige Schlange in der Mitte des Raums zusammenringelte, lief mir ein Kribbeln das Rückgrat entlang. Wäre ich in dem Augenblick in meiner Katzengestalt gewesen, dann hätte sich mein ganzes Fell gesträubt.
    »Sie ist herrlich, nicht wahr?«, sagte die Sammlerin in die Stille hinein, die den Raum erfüllte.
    Tatius entgegnete nichts, und ich rümpfte die Nase. Die Schlange roch nach reptilartigem Moschus, ein kalter Schlangengeruch, der meine Sinne beleidigte. So wie sie mit dem Kopf zuckte und ihre Zunge die Luft prüfte, als sie zu mir herumschwang, hatte ich das Gefühl, dass ihr mein Geruch ebenso wenig gefiel.
    »Deine Sammlung ist weltberühmt, und deine neueste Errungenschaft… einzigartig«, sagte Tatius schließlich, mit einem deutlichen Hauch von Langeweile in der Stimme.
    Langeweile, die er unmöglich verspüren konnte.
    Etwas wie sie hatte ich noch nie gesehen. Ist sie aus Firth? Ich hatte noch nie von Gestaltwandlern gehört, die ihre Haut lagerten. Es war anders. Fremdartig. Sie glitt näher, und ich wich zurück, bis ich an Tatius’ Brust klebte.
    »Deine Gefährtin hat ebenfalls einen einzigartigen Hintergrund, Puppenspieler«, sagte die Sammlerin, als sich der Schlangenkopf nur noch ein, zwei Schritte vor mir hin

Weitere Kostenlose Bücher