Braut der Nacht
zu verbergen, während das Publikum in Applaus ausbrach.
Als das Licht anging, drehte sich der Reisende, den ich während der gesamten Vorstellung zu ignorieren versucht hatte, zu mir um. »Du wirkst unruhig, Kind. Ich nehme an, reine Musik sagt dir nicht zu?«
»Nein. Ich meine, es war toll. Und… laut.«
Er verkniff sich ein Lachen. »Ich muss schon sagen, das ist das erste Mal, dass ich das Adjektiv ›laut‹ als Hauptbeschreibungsmerkmal für Beethovens sechste Symphonie höre.« Er drehte sich um und sah Elizabeth an, die an seiner anderen Seite saß. »Was denkst du, meine Liebe?«
»Insgesamt hat das Orchester die Stimmung auf bezaubernde Weise zum Ausdruck gebracht, aber die Piccolo-Flöte im vierten Satz schien mir ein wenig falsch.«
»Das sagst du doch immer, meine Liebe.« Der Reisende beugte sich näher zu mir und flüsterte: »Sie war im Theater an der Wien, als die Sechste uraufgeführt wurde. Alles in allem ein unzureichend geprobtes Durcheinander, soweit ich gehört habe, aber sie liebt es, mich daran zu erinnern, dass ich an jenem Abend nicht anwesend war.«
Ich starrte ihn ausdruckslos an, während er über etwas lachte, das offensichtlich eine bereits lang andauernde Diskussion zwischen den beiden war. Das dröhnende Geräusch hallte in unserer Loge wider, und seine Augen funkelten fröhlich, als er sich wieder zu Elizabeth umdrehte.
»Komm mit, Eremit«, sagte die Sammlerin, als sie an unseren Plätzen vorbeirauschte. »Die Elite von Demur ist hier zur Gala versammelt. In der Halle findet ein Empfang statt, und es ist an der Zeit, dass wir uns sehen lassen.«
Na prima. Mischen wir uns unters Volk …
Aphrodite, ihre Sahneschnittchen und ihre Ratsmitglieder begleiteten die Sammlerin hinaus. Die Zwillinge, der Reisende und Elizabeth erhoben sich, um ihnen zu folgen, und Nathanial reichte mir die Hand. Ich ergriff sie, erinnerte mich jedoch zu spät an das klaffende Loch in meinem Handschuh. Er zog eine Augenbraue hoch, als er den ruinierten Handschuh entdeckte.
Uups. Beschämt zuckte ich zusammen. Ich streifte die Handschuhe ab und sah mich um, ob ich sie irgendwo entsorgen konnte, bevor irgendjemand den Schaden bemerkte, den ich angerichtet hatte, doch da gab es nichts. Ach nun, ist eben nicht zu ändern. Ich warf die zusammengeknüllten Handschuhe über die Brüstung.
Nathanial starrte mich an, als wären mir gerade Schnurrbarthaare gewachsen, und ich schenkte ihm ein verlegenes Lächeln. Kopfschüttelnd nahm er meine nun nackte Hand und führte mich aus der Loge.
»Dir gefällt es hier«, flüsterte ich, als wir uns auf den Weg zur Empfangshalle machten.
Er zuckte nur mit den Schultern. »Das Orchester war ziemlich begabt.«
Das war es nicht, was ich gemeint hatte. Ich wettete, das wusste er auch.
Der kleine Gang vor unserer Loge führte in einen Raum, der voll war von Demurs Reichen und Mächtigen. Ich ließ meinen Blick über die Menge aus Smokings und Abendkleidern schweifen– niemand trug hier Leder. Oder Ketten. Oder Isolierband. Selbst mit der kunstvollen Hochsteckfrisur stach mein dreifarbiges Haar hervor, aber Nathanial passte perfekt dazu. Die Sammlerin und Aphrodite standen inmitten einer Gruppe von Menschen und hielten beide Champagnergläser, aus denen sie nicht trinken konnten. Nathanial gesellte sich zu der Gruppe, und das Lächeln, das um seine Lippen spielte, als er sich an der Unterhaltung beteiligte, war echter als seine übliche maskenhafte Miene.
»Auch wenn Beethovens frühe Werke unbestreitbar durch Haydn und Mozart beeinflusst waren, so sind seine späteren…«
Während Nathanial sprach, zog ich mich unauffällig zurück. Ich konnte zu der Unterhaltung nichts beisteuern– verdammt, ich konnte ihr nicht einmal folgen.
Es juckte mich in den Beinen, auf und ab zu marschieren, und in meinem Nacken kribbelte es, als beobachte mich jemand. Ich muss hier raus. Nur gab es nichts, wohin ich gehen konnte. In meinem Versuch, sowohl den Vampiren als auch den übertrieben intellektuellen Menschen aus dem Weg zu gehen, blieb ich vor einem Gemälde stehen und tat so, als würde ich es studieren.
»Ein interessanter Kommentar über die Gesellschaft, nicht wahr?«, ertönte eine männliche Stimme hinter mir. Aphrodites Stellvertreter und rechte Hand, der General, trat näher und deutete auf das Gemälde. »Wenn man beachtet, dass das Kind in Weiß die einzig zivilisierte Person beim Mahl ist?«
Ja, klar. »Entschuldigung.«
Ich raffte mit beiden Händen mein
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