Braut der Nacht
Hör zu, ich habe keine Zeit für die lange Version von dem, was hier vor sich geht. Es beinhaltet Vampire, die uns gekidnappt haben, aber das Wichtige ist, dass wir uns in Demur befinden.«
Die Wut wich aus ihrem Gesichtsausdruck, und ihre Augen weiteten sich noch stärker, als sie sich umsah. »Demur? Das ist doch, wo…«
»Genau. Du musst Bobby finden. Legt einen Treffpunkt für morgen Nacht fest, aber sag mir nicht, wo. Und was immer du auch tust, lass dich hier nicht blicken, es sei denn, ich rufe dich. Okay?«
Jemand klopfte an die Glastür. Was für ein mondverfluchtes Timing … Natürlich war die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Klopfen nicht das Geringste mit Timing zu tun hatte, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass Nathanial und ich nicht zu sehen waren. Oder mit Gils Geschrei.
Mit dem Finger an den Lippen bedeutete uns Nathanial, leise zu sein, bevor er wortlos aus dem Badezimmer schlüpfte. Gil und ich starrten uns nur an, während wir darauf lauschten, was auf der anderen Seite der Tür vor sich ging. Ich erkannte die männliche Stimme nicht, die Nathanial fragte, wo ich war.
Verdammt! Was jetzt?
Ein Klopfen erklang an der Badezimmertür, und ich scheuchte Gil mit einer wedelnden Geste fort. Sie zog missbilligend die Augenbrauen zusammen, aber sie verschwand.
Nathanial stand vor der Tür, einen kleinen Stapel zusammengefalteter Kleidungsstücke auf dem Arm. Stimmt ja, die Sammlerin hatte Aphrodite aufgetragen, mir welche bringen zu lassen. Wer auch immer die Kleider gebracht hatte, war wieder verschwunden. Ich schnappte mir den Stapel von Nathanial und zog mich wieder ins Bad zurück.
Meine erste Einschätzung, dass der Stapel Kleidungsstücke enthielt, stellte sich als ein wenig zu optimistisch heraus. Aphrodite hatte mir ein dünnes, cremefarbenes und mit Spitzen verziertes Nachthemd und einen Morgenmantel aus goldenem Satin geschickt. Herrje, ich passe farblich zum Bett. Der Morgenmantel hatte eine kleine Tasche, in die ich Avins silbernen Ring steckte, damit mir das verfluchte Ding nicht wieder auf magische Weise an den Finger hüpfte. In meinen neuen Putz gekleidet drehte ich das Wasser ab und warf meinen Mantel und das Hemd über den Wannenrand. Dann schlüpfte ich aus dem Bad, ohne Nathanials eindringlicher Musterung Beachtung zu schenken. Ein weiteres Klopfen ertönte an der Schlafzimmertür.
»Die Herrin meinte, ihr braucht noch einen Imbiss vor der Morgendämmerung«, sagte ein Mann Mitte zwanzig, als er ins Schlafzimmer trat. Er trug nichts als enge Jeans, was seinen muskulösen nackten Oberkörper zur Schau stellte. Wie die anderen Männer in Aphrodites Diensten besaß er eine tiefe, für die Jahreszeit ungewöhnliche Bräune, aber der leichte Stich ins Orangefarbene legte nahe, dass sie aus der Flasche stammte.
O verdammt! Einen Imbiss. Er meinte sich selbst.
Ich brauchte zwar noch nicht dringend Blut, aber ewig würde ich es nicht aushalten. Und da ich tief in mir immer noch ein Shifter war, bestand zugleich bei jedem Menschen, den ich biss, die Möglichkeit, dass er gezeichnet wurde und sich verwandelte, sobald sich das Tor nach Firth das nächste Mal öffnete. Ich durfte keine Spur aus Einzelgängern und Stadt-Shiftern, wie gezeichnete Menschen von den Jägern genannt wurden, hinter mir zurücklassen. Nicht nur, dass das ein schnelles Todesurteil für mich bedeuten würde, falls der Richter herausfand, dass ich noch mehr Raubtiere geschaffen hatte, es wäre außerdem falsch.
Ich konnte von Nathanial trinken. Er war sowohl meinen Krallen als auch meinen Zähnen bereits ausgesetzt gewesen. Wenn sich das Tor nach Firth öffnete, könnte er sich vielleicht verwandeln, aber der Schaden war bereits angerichtet. Das war nicht mehr zu ändern. Aber keine weiteren Menschen. Das Risiko, weitere Menschen zu zeichnen, war einfach zu groß.
Ich öffnete schon den Mund, um den Mann fortzuschicken, doch da streckte er die Hand aus und strich mir mit dem Daumen sanft über die Unterlippe. Sein erregter Herzschlag füllte meine Ohren, drängte sich an meine Haut. Meine Fangzähne glitten hervor. Ich konnte nichts dagegen tun. Konnte es nicht verhindern. Er beugte sich zu mir, bis sein Mund nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war.
Der raue Atem des Mannes strich mir eben noch über die Lippen, doch im nächsten Augenblick war die Stelle vor mir leer. Blinzelnd wurde ich aus meiner benebelten Blutlust gerissen, als der Mann herumwirbelte, und das in Anbetracht seiner
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