Braut der Schatten
gut.« Er translozierte sich zu der schweren Vertragsschriftrolle und nahm sie mit einer Hand hoch. »Ich habe jedes einzelne noch so winzige handgeschriebene Wort darin gelesen, jede einzelne Regel.«
»Aber sind die Regeln nicht in Altdämonisch verfasst?«
»Korrekt. Die Übersetzung erwies sich als überaus zeitaufwendig. Das ist einer der Gründe, warum ich so erschöpft bin.« Er zuckte mit den Achseln. »Auch wenn sie in dämonischer Sprache geschrieben sind, gründen die Regeln auf dem uralten Sorceri-Recht, das aus einer Zeit stammt, in der dein Volk Ritterlichkeit und Edelmut sehr hoch schätzte. Darum enthält es eine Barmherzigkeitsklausel.«
»Was bedeutet das?«
»Sollte einer der Wettstreiter dem sicheren Tod ins Auge sehen, ist die als Preis ausgelobte Frau berechtigt, ihm eine Gunst zu erweisen. Sie darf ihn vom Turnier ausschließen und ihm so das Leben retten. Sobald ich meine Klinge auf Cas richte, um ihm den Todesstoß zu versetzen, wirst du ihm Barmherzigkeit schenken. Und damit ist das Turnier beendet.«
Barmherzigkeit?
»Aber ich dachte, es gäbe einen Weg, wie es zwischen dir und Cas zu einer Art Unentschieden kommen könnte.«
»Dann hast du dich geirrt. Es muss einen Sieger geben.«
»Ich habe keine Ahnung, wie Cas reagieren wird, Vampir, aber er ist sehr stolz. Er war ein Findelkind und musste sich seine Stellung in dieser Welt hart erarbeiten. Ein solcher Akt der Gnade würde ihm möglicherweise unerträglich erscheinen. Er könnte weiterkämpfen.«
Zudem war Cas mit jedem Gegner, den er getötet hatte, stärker geworden. Auch wenn sie sich keinerlei Illusionen hingab, dass er in der Lage wäre, den Vampir zu schlagen, könnte es sich jedoch als schwierig erweisen, Cas zu bändigen, ohne dass er dabei verletzt wurde.
»Alles wird gut«, sagte Dakiano. »Ich habe das unter Kontrolle.«
Wenn sie diese Information ein wenig früher gehabt hätte, hätte sie sich mit Cas zusammensetzen und versuchen können, ihm die Lage zu erklären, ihn dazu zu überreden, diesen Ausweg zu akzeptieren. Jetzt konnte sie sich schon glücklich schätzen, wenn sie ihn vor dem Duell überhaupt noch finden würde. »Dann gibt es also absolut keinen Weg, ein Unentschieden herbeizuführen?«
Dakiano fuhr sich mit den Fingern durch sein zerzaustes Haar. Seine Stimme wurde bei jedem Wort lauter, als er sie nun fragte: »Ich habe einen Weg gefunden, ihm das Leben zu retten, und
das ist für dich nicht gut genug?
«
»Ich … ich wünschte nur, ich hätte es früher gewusst.« Er hatte ihr gegenüber noch nie die Stimme erhoben.
»Warum? Was hätte das geändert?« Seine Augen blitzten vor Zorn schwarz auf. »Die letzte Nacht in deinem Bett?«
Sie schluckte. »Ich weiß ja, dass du unter großem Druck stehst, und ich will nicht mit dir streiten. Du solltest dich jetzt vermutlich lieber ausruhen.«
»Du wirst dich also auf die Suche nach Caspion machen.«
Sie dachte daran, zu lügen, erwog alle Möglichkeiten, die Streitigkeiten beizulegen und ihn zu beruhigen. Doch sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Wenn es diesem Vampir ernst damit war, sein Leben mit ihr zu teilen, dann musste er begreifen, dass Cas immer einen Platz darin haben würde. »Zuerst einmal werde ich Raum aufsuchen, damit er weiß, dass er den Kampf beenden muss, sobald er das Gnadengesuch hört. Aber dann werde ich mit Cas reden, um ihm alles zu erklären. Sonst tut er noch irgendwas Hitzköpfiges und greift dich an. Ich will nur sichergehen, dass ihr
beide
unverletzt aus alldem rauskommt.«
Der Vampir strahlte eine geradezu fühlbare Drohung aus. »Du traust mir also nicht zu, die Geschehnisse im Ring zu kontrollieren – gegen einen Welpen wie ihn?«
»Welpen?« Seine herablassende Haltung ärgerte sie.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst mir vertrauen, Bettina.«
Ihr Kinn fuhr in die Höhe. »Und ich habe dir gesagt, ich muss dies mit meinem Freund besprechen, als reine Vorsichtsmaßnahme.«
Seine Fänge schärften sich und glitzerten im Feuerschein. »Immer denkst du an Caspion!«
Vielleicht hatte sie sich tatsächlich etwas vorgemacht, als sie dachte, sie könnte die Kluft zwischen Dakiano und Cas überbrücken. »Bitte, beruhige dich doch …«
»Ich soll mich beruhigen? Weißt du eigentlich, wie oft diese Phrase mir gegenüber schon ausgesprochen wurde?
Niemals.
Du treibst mich so weit, dass meine Geduld auf Messers Schneide steht, Prinzessin.« Er stieß ein bitteres Lachen aus. Sie glaubte ihn so etwas wie
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