Braut der Schatten
verabschieden würde. Dort unten konnte sie ihn auch nicht entdecken.
Vielleicht war er aus Rune geflohen, um Dakiano zu entkommen? Würde sie Caspion jemals wiedersehen? Sie schluckte. Oder war der Vampir etwa schon zurückgekehrt?
Sicherlich würde Dakiano erst kommen, wenn die Nacht vollständig hereingebrochen war.
»Du sagtest mir, du würdest alles dafür geben, dich wieder sicher zu fühlen«, sagte Morgana. »Diese Wettbewerber sind allesamt gefeierte Kämpfer.«
»Viele von ihnen stellen wohl eher eine Gefahr für mich dar!«
»Wer auch immer der Sieger sein wird, ist dir bestimmt«, sagte Morgana unbekümmert.
Bettina starrte sie finster an. »Die Sorceri glauben nicht an das Schicksal.«
»Dann werde ich mich klarer ausdrücken: Wer auch immer der Sieger sein wird, ist der stärkste, schlaueste, mächtigste Teilnehmer. Der wird dann dein Ehemann sein.«
Das Problem dabei war: Auch ein Cerunno konnte dies alles sein.
Morgana seufzte. »Wenn dir dein Ehemann nicht zusagt – und wirklich, Bettina, seit wann bist du eigentlich so pingelig? –, dann mach dich selbst doch einfach zur Witwe. Bettina die schwarze Witwe! Dann regierst du ganz allein ohne lästigen Mann an deiner Seite. Genauso wie ich.«
Bettinas Mund öffnete sich leicht. Ein Teil von ihr hegte den Verdacht, dass Morgana sich ein Monster für ihr Mündel geradezu wünschte, nur damit Bettina ihn umbringen musste. Morgana wollte sie gerne etwas abhärten, immerhin war Elearas Tochter heulend nach Hause zurückgekehrt. Eine Exekution in der Hochzeitsnacht wäre da genau das Richtige! Ihren Ruf als Schwächling wäre sie damit jedenfalls los.
»Und was ist mit den Abaddonae?«, fragte Bettina. »Warum sollten die einen Cerunno als König tolerieren?«
»
Tolerieren
?« Morganas unzählige Flechten flogen um ihren Kopf herum, als ob ein unsichtbarer Wind wehte, und das Gold an ihrem Körper summte – eindeutige Anzeichen ihres wachsenden Zorns. »Du wirst ihre Königin sein. Sie werden tolerieren, was auch immer du beschließt, ihnen zu geben. Vergiss das nie.« Sie glättete ihr Haar und atmete tief ein, um sich zu beruhigen. »Außerdem weißt du doch, wie sehr diese Dämonen Stärke verehren – von wegen, Macht schafft Recht, und all dieser Unfug. Sie werden den Sieger akzeptieren.«
Jemand klopfte an die Tür. Bettina trat zurück in ihr Wohnzimmer.
»Oh, welche Überraschung«, höhnte Morgana, die ihr folgte. »Raum ist pünktlich.«
Ihr Pate trat ein. Er hatte seine zeremonielle Rüstung angelegt, und seine dunklen Hörner waren frisch poliert. Seine Brustplatte wölbte sich über dem gewaltigen Brustkorb, und der schwarze Bart hing ihm bis auf die Brust und war ordentlich geflochten.
Während die Tür kaum breit genug für Morgana mit ihrem Kopfputz gewesen war, war sie mit weit über zwei Metern Höhe gerade hoch genug, dass Raum eintreten konnte, ohne sich zu bücken. Selbst der Vampir war nicht ganz so groß gewesen.
Hör endlich auf, über ihn nachzudenken!
»Wie geht’s meinem Mädchen?« Raum zwinkerte ihr zu. »Ich weiß genau, was du denkst. Raum sieht mal wieder verdammt gut aus, he?«
Bettina lächelte ihn liebevoll an. Auch wenn ihr Vater lieb und freundlich gewesen war, hatte sie doch immer irgendwie eine gewisse … Distanziertheit verspürt. Raum hingegen war immer schon ganz vernarrt in sie gewesen und hatte den Mangel damit wettgemacht. Aber er war nicht perfekt; er war in einem feudalen Zeitalter aufgewachsen und behandelte Bettina wie eine Jungfer, die ständig in Nöten war und gerettet werden musste. Er sah in ihr eine zerbrechliche Puppe unter all den Dämonen, eine seltene Gewächshausblume.
Trotzdem war er in mancherlei Hinsicht erstaunlich flexibel gewesen – bis zu dem Tag, an dem sie angegriffen worden war.
Nach einem finsteren Blick in Morganas Richtung hielt Raum Bettina seinen Arm hin. »Du siehst entzückend aus. Bist du bereit hinunterzukommen?« Mit offensichtlichem Widerwillen bot er seinen anderen Arm Morgana an. »Soll ich euch beide translozieren?«
»Nur wenn du willst, dass ich mich heute noch mit deinen Eingeweiden vergnüge«, erwiderte Morgana mit einem lieblichen Lächeln. Sie ließ sich niemals translozieren und reiste grundsätzlich nur per Portalzauber.
Bettina liebte die Translokation ebenfalls nicht sonderlich. Bedauerlicherweise konnte sie sich trotz ihrer dämonischen Hälfte nicht aus eigener Kraft teleportieren, darum fühlte sie sich jedes Mal wie eine Versagerin,
Weitere Kostenlose Bücher