Braut der Schatten
verhohlener Begeisterung.
Raum hingegen schien eher unbehaglich zumute zu sein. Er wirkte wie ein junger Dämon, dessen Gäste auf der unerlaubten Party begonnen hatten, die Burg seines Vaters auseinanderzunehmen.
»Und das direkt vor der Akzession!«, fügte Morgana glücklich hinzu. Bei diesem brutalen Krieg unter den Unsterblichen waren alle Faktionen gezwungen, gegeneinander um die Vorherrschaft zu kämpfen. Nun wurden mit jedem Tag die einander bekriegenden Allianzen – Pravus und Vertas – stärker.
Als Nächstes erschienen zwei gut aussehende Zentauren, deren geschärfte Hufe auf dem Laufsteg hell ertönten. Die beiden hatten ihre Bögen quer über die bloße Brust geschnallt und ließen Bettina auf höchst schmeichelhafte Weise ihre Aufmerksamkeit zukommen.
Danach verbeugte sich ein Lord der Horde höflich, doch sein blutroter Blick schweifte ruhelos hin und her – ganz anders als Dakianos. Nachdem der Lord unterschrieben hatte, zischte er den Lykae, seinen natürlichen Feind, drohend an.
Der einzige Troll im Teilnehmerumzug war riesig. Seine Schultern waren beinahe so breit, wie er groß war. Sein Körper war von borstigen Haaren bedeckt, bis hin zu seinem langen Schweif. In einer schmuddeligen Hand trug er eine mit Nägeln gespickte Keule, die größer als Bettinas Körper war.
»Also jetzt wird das Ganze aber langsam lächerlich«, flüsterte Bettina ihrer Patin zu.
Morgana zuckte nur mit den Achseln. »Das Turnier steht jedem offen.«
Dann kamen die Feuervölker: ein Chimaero, dessen Haut in Flammen aufgehen konnte, und drei Ajatare, zweiköpfige Drachengestaltwandler. Darauf folgten die schlangenartigen Wettstreiter: zwei Cerunnos – Prinzen der Schlangenlande – und Meduso, Sohn der Medusa.
»Dieser dort besitzt eine giftige Zunge«, informierte Morgana sie entzückt. »Du weißt doch, was man sagt? Wer einmal eine Schlange hatte, will nie mehr etwas anderes.«
Bettina seufzte.
Ich komm mir vor wie auf dem Friedhof der Kuscheltiere.
Als es zu einer Verzögerung bei der Prozession kam – der nächste Dämon war anscheinend sturzbetrunken –, rieb sich Bettina den Nacken. Sie spürte, dass irgendetwas nicht stimmte.
Noch mehr als dieser ganze Mist, der offensichtlich total daneben ist?
Natürlich stand sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die meisten Anwesenden beobachteten sie, aber aus irgendeinem Grund meldete ihr sechster Sinn eine ganz besondere Präsenz …
11
Verborgen im Nebel hatte sich Trehan nach Rune transloziert, zurück zu der Zugbrücke, die er erst vor Kurzem überquert hatte. Er hatte seine Habseligkeiten darunter verstaut und sich dann auf den Weg in Richtung des Eisernen Rings gemacht.
Obwohl die Frist für die Anmeldung unmittelbar bevorstand, hatte sich Trehan immer noch nicht entschieden. Vermutlich lag das daran, dass er seine Braut bisher noch nicht erblickt hatte.
Stattdessen war er am Rande der Massen dahingeglitten, hatte die riesige Arena samt den stadionartigen Sitzreihen gemustert, die vor Zuschauern überquollen.
Er hatte versucht sich vorzustellen, wie es wäre, vor ihnen allen zu töten. So lange hatte er nun seine Fähigkeiten verborgen – um sie jetzt möglicherweise vor Tausenden zur Schau zu stellen?
Bald würde die große Tribüne in Sichtweite kommen.
Sie
würde in Sichtweite kommen.
Immer kühl, immer logisch – Trehan traf niemals impulsive Entscheidungen. Wann immer jemand versuchte, eine Atmosphäre der Dringlichkeit zu erzeugen, um ihn zum Handeln zu zwingen, schaltete er erst mal auf stur und zog absolute Tatenlosigkeit vor.
Aber er fürchtete, dass sich das Verlangen, das er letzte Nacht verspürt hatte, verdoppeln würde, wenn er sie erst einmal erblickte, und dann wäre es mit seiner Selbstbeherrschung rasch vorbei.
Wieder und wieder dachte er:
deine Braut oder dein Heim? Deine Frau oder dein Königreich?
Jetzt konnte er seine Entscheidung nicht länger hinauszögern. Er erhob den Blick zur Tribüne …
Dort war sie.
Unter den leuchtenden Flammen der Arena sah sein dunkeläugiger Halbling in ihren Juwelen und den Seidengewändern, die sie kaum verhüllten, wie ein wahr gewordener Traum aus. Ihr dunkles Haar war in glänzende Zöpfe geflochten, die ihr Gesicht einrahmten, und die jadegrüne Maske betonte ihre strahlenden Augen.
Sein erster Gedanke:
Scheiß auf das Königreich
.
Er schüttelte heftig den Kopf.
Ruhig, Trehan. Sei rational, hole zuerst alle nötigen Informationen ein.
Neben ihr saßen ein Dämon und eine
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