Braut der Schatten
erhoben.
Es machte die Sache beinahe noch schlimmer, dass sie den Wald von hier aus immer sehen konnte, der für sie unerreichbar war.
Sie richtete ihren Blick nach unten. Tausende Dämonen und andere Mythianer hatten sich an den Straßen versammelt und warfen Konfetti auf den Umzug der Turnierteilnehmer.
Pavillons und Zelte in leuchtenden Farben waren rings um Abaddons berühmten Eisernen Ring errichtet worden – ein gewaltiges Stadion mit einer käfigartigen Arena. Von der Haupttribüne aus hatte man einen hervorragenden Ausblick. Kühne Standarten hingen schlaff in der windstillen, feuchten Luft der Stadt.
Als Bettina den Festzug beobachtete, erschauerte sie unwillkürlich angesichts einiger der »Freier«. Der Eiterdämon trug Gummistiefel und -handschuhe, um die Sauerei aufzufangen, die aus seiner Haut sickerte. Zwei Cerunnos schlängelten sich über die Kopfsteinpflasterstraßen und hinterließen Spuren im Konfetti, die denen einer Klapperschlange im Sand glichen. Ein Krokodilgestaltwandler präsentierte sich ohne Hemd, damit alle seine panzerartige gefleckte Haut bewundern konnten.
»Sieh dir doch die Männer da unten an.«
Das alles passiert wirklich.
Sie wollte sich sicher fühlen, doch diese Bewerber waren Furcht einflößend. »Sie sind widerlich.«
»Nicht alle. Ich bin ein paarmal mit Cerunnos ausgegangen, die sind gar nicht so übel, wie man immer denkt.« Morgana tippte sich mit ihrem klauenbewehrten Finger gegen die Unterlippe. »Bedauerlicherweise erwarten wir keine Bewerber aus den Reihen der Sorceri. Selbst nachdem ich ihnen meine Unterstützung zugesichert habe, glauben sie, dass der Ausgang dieses Wettstreits bereits feststeht. Oder aber, dass es am Ende einfach nur auf rohe Gewalt ankommt.«
Wenn die Lykae die körperlich stärkste Rasse der Mythenwelt waren, dann gehörten die Sorceri zu den Schwächsten.
Morgana runzelte die Stirn. »Selbstverständlich könnte ich ihre Teilnahme erzwingen – wenn ich glauben würde, dass einer der Unseren tatsächlich überleben könnte.«
Als Königin der Sorceri – sowohl in mythischer Hinsicht als auch was die Regentschaft betraf – besaß sie die absolute Herrschaft über ihre Untertanen und all deren individuelle Fähigkeiten. Sie konnte jedem von ihnen befehlen, zu tun, was immer sie wollte, und sie wären gezwungen, ihr zu gehorchen. Alternativ konnte sie ihnen einfach ihre Fähigkeiten stehlen.
Morgana war keine beliebte Herrscherin, aber sie war zufrieden damit, eine gefürchtete zu sein. »Bedauerlicherweise wird Gift in diesen Wettkämpfen nicht gerne gesehen.« Die Sorceri waren geradezu Künstler im Umgang mit Giften. Sie stellten sie nicht unbedingt selbst her, aber sie wussten sie in jedem Fall zu nutzen.
»Ich nehme nicht an, dass du endlich die Gabe der Vorhersehung gestohlen und ein gutes Ende für all das hier vorausgesehen hast.«
»Vorhersehung?«, wiederholte Morgana spöttisch. »Niemals. Orakel verlieren unweigerlich den Verstand. Ich ziehe es jederzeit vor, in Sackgassen zu landen, dafür aber meine Vernunft zu behalten.«
»Aber du wirst doch sicherlich den Verlauf des Ganzen steuern?«
»Ich darf das Ergebnis des Turniers weder durch Gedanken noch durch Taten beeinflussen. Allerdings habe ich mit Raum ausgehandelt, dass du einen gewissen Einfluss auf den Wettstreit hast«, sagte Morgana. »Es wird eine Runde geben, in der Damenwahl angesagt ist. Sieh es als Sicherheitsklausel an. Frag mich aber nicht, was es damit auf sich hat, weil ich mich zu diesem Thema nicht weiter äußern werde.«
Bettina schluckte ihre Frage herunter.
Ich hasse es, wenn sie das tut.
»Sind denn irgendwelche Freier dabei, die du als Ehemann akzeptieren würdest?«, fragte sie unschuldig.
»Um des Goldes willen, Bettina, du weißt doch, dass ich niemals heiraten würde.« Sie schnippte abschätzig mit den Fingern. »Ich bin überrascht, dass dieser dämonische Tunichtgut, den du deinen Freund nennst, nicht teilnimmt. Raum würde das jedenfalls begrüßen.«
Wirklich?
Moment mal, warum nennt eigentlich jeder Cas einen Tunichtgut?
Sah denn keiner von ihnen, dass hinter der Fassade des leichtsinnigen Schürzenjägers sehr viel mehr steckte? Er hatte seine erste Prämie mit vierzehn Jahren kassiert und seitdem als Kopfgeldjäger immer wieder sein Leben aufs Spiel gesetzt. Cas war fest entschlossen, sich den Respekt der Todesdämonen in diesem Königreich zu verdienen.
Oh, wo war er nur? Bettina hatte erwartet, dass er sie wenigstens
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