Braut der Schatten
Mann, den sie liebte, hielt sie für nicht mehr als ein tapferes – schwesterliches – Anhängsel. Ihre Patin, eine berühmte Schönheit, hielt sie für den merkwürdigen Spross von Bettinas verstorbener Mutter.
Seltsamerweise hatte der Dakier Bettina angesehen, als wäre sie das schönste Geschöpf auf der ganzen Welt. Von all den Frauen, die der Vampir je getroffen hatte, war es ihr allein gelungen, ihn ins Leben zurückzubringen.
Und dann die Dinge, die er ihr gesagt hatte! Für ihn waren Bettinas Augen nicht etwa schön oder sogar verführerisch gewesen, sondern
unwiderstehlich!
Er hatte bei ihr nicht einfach nur seine Lust befriedigt, er hatte ihre Liebkosungen
genossen
. Sie hatte ihm nicht einfach nur gefallen, sie hatte ihn
verrückt
gemacht.
Wenn sie nur an seine heisere Stimme dachte, mit der er all diese schockierenden Worte gesprochen hatte, wurde ihr heiß im Gesicht und in der Brust …
»Du siehst müde aus«, bemerkte Morgana mit kritischem Blick. »So geht das nicht. Du musst fabelhaft aussehen, wenn du dich heute Abend präsentierst.«
»Ich denke, du wolltest sagen: ›zur Schau stellst‹.«
Morganas drei Inferi, die mit Auspacken beschäftigt waren, erstarrten. Sie waren fassungslos, dass Bettina es wagte, der großen Königin zu widersprechen.
Zorn blitzte in Morganas unergründlichen Augen auf. »Muss ich dich daran erinnern, dass du diesem Turnier zugestimmt hast?«
»Nur, weil ich nicht voraussehen konnte, wie es in Wahrheit sein würde. Bei euch klang es nach einer vornehmen Angelegenheit voller Romantik und Prunk.« Bettina hatte sich vorgestellt, wie attraktive Freier von verbündeten Dämonarchien leidenschaftlich miteinander um das Recht ringen würden, sie ihre Ehefrau nennen zu dürfen.
»Ich werde dir deine Unverschämtheit vergeben und sie deiner Nervosität zuschreiben.« Morganas Blick leuchtete warnend auf. Silbrige Pünktchen funkelten in ihren dunklen Augen – das Rasseln, bevor die Schlange zubiss.
Bettina ruderte sofort zurück. »Ja, natürlich, ich bin ziemlich aufgeregt.« Sie konnte Morganas überbordende Macht fühlen. Das brachte sie dazu, sich zu fragen:
Warum habe ich bloß geschworen, ihr nichts von Caspions Problemen zu erzählen?
Ihre Patin konnte den Assassinen mit einer einzigen Handbewegung eliminieren.
Morgana hatte den kleinen Disput offenbar gleich wieder vergessen und befahl ihren Inferi, mit ihrer Arbeit an Bettina anzufangen. »Haare, Kleidung, Make-up, Juwelen, Maske.« Sie klatschte auffordernd in die Hände
.
»Wir wollen, dass die Prinzessin wie ein Kunstwerk aussieht. Aber auf keinen Fall zu auffällig. Auch wenn sie mir natürlich niemals die Schau stehlen könnte, möchte ich nicht, dass es so wirkt, als ob sie es versuchte.«
Bettina kooperierte nach einem kleinen Seufzer, hob ergeben die Arme, schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Morgana zu widerstehen, war unmöglich – und für andere tödlich.
Raum hatte Bettina einmal gefragt: »Woher willst du überhaupt wissen, dass deine Patin dich liebt?«
»Erstens, weil Morgana mich immer wieder in einem Reich besucht, das sie hasst. Zweitens, weil ich diese Besuche immer wieder lebend überstehe …«
Innerhalb von Minuten machte Bettina einen erstaunlichen Wandel durch. Sie trug ein kurzes, ärmelloses Top aus Golddraht, wobei die Maschen des Netzes nur über ihren Brüsten ein wenig enger gewoben waren. Der dazu passende Rock war an den Seiten hoch geschlitzt, damit die mit Edelsteinen besetzten Strumpfbänder und die seidigen Strümpfe sichtbar waren.
Ihre Maske bestand aus auffälligen jadegrünen Federn, die sich wie kleine Flügel an beide Seiten ihres Kopfes anschmiegten. Ihr dichtes Haar war so um das Diadem gewunden, dass es das Schmuckstück festhielt.
»Und?«, fragte Bettina.
»Du machst ein ernstes Gesicht, das beeinträchtigt dein Aussehen. Du bist nun einmal keine Schönheit. Der Mund ist zu breit, die Wangenknochen sind zu kantig. Am besten siehst du immer noch aus, wenn du lächelst.«
Letzte Nacht, in der Dunkelheit, hatte ihr Lächeln dem Vampir den Atem verschlagen.
Warum denke ich nur immer wieder über ihn nach? Er kommt ja doch nicht wieder.
Dann erst begriff sie Morganas Worte. »Muss ich wirklich gut aussehen?«, wagte Bettina zu fragen. »Die Wettstreiter sind schließlich nicht meinetwegen hier.« Morgana öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, darum sagte Bettina: »Na ja, vielleicht fühlen sich ein paar tatsächlich zu mir
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