Braut der Schatten
…?
»Bettina?« Der Vampir stand direkt neben ihr und musterte sie mit Augen, die wieder ruhig und grün waren.
Er hatte sie hintergangen, und sie schaffte es nicht einmal, seiner Gesellschaft zu entfliehen, konnte ihm nicht die Zeltklappe ins Gesicht schleudern, ehe sie davonstürmte.
Ich hasse es. Ich hasse es. Ich
HASSE
es!
»Was ist los, kleine Braut?«
Sie schluckte die bittere Galle herunter, die in ihrer Kehle aufgestiegen war. »Ich … ich bin nicht gerne im Regen unterwegs.«
»Selbstverständlich«, sagte er mit unergründlicher Miene.
Er weiß es, er weiß es!
Gerade als sie zu zittern begann, stellte sie fest, dass sie sich auf einmal vor der verborgenen Tür zur Burg befand. »Du hast mich transloziert?«
»Bettina, du musst nie wieder alleine unterwegs sein.«
Mit diesen einfachen Worten verebbte ihre Angst, und das brachte sie gleich wieder in Harnisch. Wieso hatte er nur einen solchen Einfluss auf sie?
Wie konnte er nur mein Blut trinken?
Jetzt konnte Dakiano Szenen aus ihrem Leben mitansehen, konnte Zeuge ihres absoluten Tiefpunkts werden. Er würde von ihren feigen, irrationalen Ängsten erfahren.
Doch dann schalt sie sich selbst. Warum sollte es sie überhaupt kümmern, was er sah? Ihr ganzer Hof hatte sie als Opfer, als Objekt des Mitleids gesehen.
Bettina fürchtete, dass ihre
Eitelkeit
an ihrem Ärger nicht ganz unschuldig war. Sie wollte nicht, dass dieser gut aussehende, listige Vampir – der von ihr besessen zu sein schien – ihre Niederlage sah, weil er sie mochte, weil er sie attraktiv fand, weil ihn alles, was sie tat, zu verzaubern schien.
Seine Reaktion auf sie war wie Balsam für ihr wundes Herz gewesen, nachdem Cas zugegeben hatte, sich überhaupt nicht zu ihr hingezogen zu fühlen und dass er an dem Turnier nur teilnahm, weil ihm sowieso der Tod drohte.
Wenn ein Krieger wie Dakiano sah, wie sie wirklich war, wie sie geschluchzt und um Gnade gefleht hatte, würde er sie ebenfalls verachten. Seine unvollkommene Braut.
Und dann werde ich ihn nie wieder auf diese Weise mit ihm zusammen sein können.
Wo war denn
der
Gedanke hergekommen?
»
Dragâ
«, knurrte er, »sag mir, wer dir wehgetan hat.«
Als er ihr mit den Fingerknöcheln über die Wangenknochen strich, wandte sie das Gesicht ab.
»Nun gut. Aber ich fordere noch eine weitere Gunst von dir …«
Trehan wartete, bis in ihrem Schlafzimmer ein Licht aufleuchtete, ehe er in sein Zelt zurückkehrte. Für einen Einzelgänger fand er die Trennung von ihr überraschend … schmerzlich.
Drinnen hob er einen ihrer Seidenhandschuhe auf, den sie in der Eile zurückgelassen hatte. So schmal, so klein. Seine zerbrechliche Frau, die von mehr als einem Ungeheuer angegriffen worden war und die immer noch darunter litt.
Sie hatte da draußen gestanden, völlig erstarrt, mit einem dermaßen rasenden Herz, dass er schon befürchtet hatte, sie würde in Ohnmacht fallen.
Wieder und wieder hatte er über jenen Tag in Dakien nachgegrübelt, als er mit dieser ungewöhnlichen Ruhelosigkeit, dieser grauenhaften Angst erwacht war. Er vermutete, dass er irgendwie ihren Schmerz und ihre Furcht gespürt hatte, selbst tief vergraben in seinem Königreich.
Jetzt war er sich dessen sicher.
Anstatt sie zu retten, war er in diesem Sarg von einem Berg eingeschlossen gewesen, eingefroren in dieser Stadt, dieser gottverdammten Bibliothek, ohne sie je gesehen zu haben – ohne nach ihr zu suchen.
Ich habe sie ihrem Schicksal überlassen.
Unverzeihlich. Ihre flehentliche Bitte hallte immer noch in seinem Kopf wider.
Nicht schon wieder …
Heute Nacht hatte er viel über seine Braut erfahren, über ihre Angst – und ihr Verlangen.
Ihr Verlangen lehrte ihn, dass ihr Körper – und ihre Zuneigung – gewonnen werden konnten. Ihre Angst lehrte ihn, dass sie Unterstützung brauchte, um wieder zu gesunden.
Trehans Plan hatte sich damit gewandelt und musste erweitert werden.
Gewinne das Turnier, finde und töte ihre Feinde, schlage Kapital aus ihrer Leidenschaft.
Er hatte ihr Blut zu sich genommen – der erste Schritt, um ihre Feinde aufzuspüren. Auch wenn er noch nie Erinnerungen geerntet hatte, ging er davon aus, dass er ein
cosaş
war, wie andere Dakier vor ihm. Sobald er schlief, würde er Szenen aus ihrer Vergangenheit träumen und sie aus ihrer Perspektive noch einmal durchleben.
Ich weiß genau, welche ihrer Erinnerungen ich brauche.
Er translozierte sich noch einmal hinaus und spähte zu ihrem Zimmer hinauf. Ihr Licht erschien
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