Braut wider Willen
ihr Mann nirgends zu sehen. Nichts im ruhigen, wohl geordneten Haus ließ darauf schließen, dass sie am Vortag geheiratet hatte.
Auch ihr Vater hatte sich ohne ein Wort des Abschieds empfohlen. Er widmete sich wieder dem Kriegsgeschäft, glücklich, seine Tochter in der Obhut ihres Gemahls zurückzulassen – in mehr als einer Hinsicht, dachte Phoebe mit einem verbitterten kleinen Lächeln. Seine Tochter würde ihm nun nicht mehr auf der Tasche liegen.
Kapitel 4
»Das ist der Letzte, Granny!« Phoebe warf den letzten Kohlkopf aus dem Graben in den Korb und richtete sich mit schmerzendem Rücken auf. Auf den Spaten gestützt, schob sie sich mit einer behandschuhten Hand ihr Haar aus den Augen. Der Tag war sonnig, und Phoebe hatte sich trotz der Kälte in Schweiß gearbeitet, während sie Granny Spruels Winterkohl aus dem mit Stroh ausgelegten Graben grub, in dem sie im Herbst eingelagert worden waren. Schmutz vom Handschuh vermischte sich mit der Feuchtigkeit auf ihrer Stirn und hinterließ Streifen auf ihrer Wange, doch sie merkte nichts davon.
»Mädchen, du hast ein gutes Herz«, sagte die ältere Frau. »Aber seit die Burschen im Krieg sind, hilft einem niemand mehr.«
»Gibt es Neues von deinen Enkelsöhnen?« Phoebe hob den Korb hoch und ging den Gartenpfad entlang zur Küchentür.
»Seit der Zeit vor Weihnachten nichts mehr.« Granny Spruel folgte Phoebe in die Küche. »Stell das Zeug in die Speisekammer, Liebes … Ach, ein Kerl kam vorbei und sagte, er hätte Jeremiah irgendwo unten in Cornwall getroffen. Die Kämpfe seien schrecklich, sagte er. Aber Jeremiah war noch am Leben, als er sich von ihm trennte.«
»Es heißt, dass es den Königlichen in Cornwall an jeglicher Unterstützung mangelt«, sagte Phoebe, die aus der Speisekammer trat. »Sie haben praktisch schon aufgegeben. Sicher wirst du deine Enkel bald wieder sehen.«
»Ja, man kann nur hoffen und beten, meine Liebe. Jetzt hast du sicher Lust auf ein Stück von meinem Obstkuchen, ja? Und auf ein Glas Apfelwein?« Granny Spruel ging an den Schrank und hob den Deckel eines irdenen Gefäßes. Sie holte einen in Tuch gehüllten Kuchen hervor und schnitt ein großes Stück ab. »Apfelwein schenkst du dir selbst ein.«
Phoebe tat es und biss herzhaft vom Kuchen ab. Sie wusste, dass Granny und den anderen Frauen im Dorf, die ohne Männer auskommen mussten, ihre Hilfe sehr willkommen war, dass aber für die Älteren unter ihnen, die sich an den langen, einsamen Tagen nach einem Schwätzchen sehnten, ihre Gesellschaft ebenso wichtig war. Jüngere Frauen hatten keine Zeit dafür, da sie, meist mit einer großen Kinderschar gesegnet, neben der Arbeit in Haus und Garten noch die Feldarbeit tun und das Vieh versorgen mussten. So kam es, dass die Älteren im Bürgerkrieg an einer Einsamkeit litten, wie sie für diese eng miteinander verbundene, ländliche Gesellschaft ungewöhnlich war.
Die Schläge der Kirchturmuhr ließen Phoebe mit einem erschrockenen Ausruf aufspringen. »Es kann doch nicht schon halb zwölf sein!«
»Doch, ist es. Die alte Uhr geht nicht eine Minute falsch«, sagte Granny, als sei dies ein Trost. »Wir alle dachten, du würdest nach deiner Heirat keine Zeit mehr für uns alte Leute haben.« Granny begleitete Phoebe unter Geplauder an die Gartenpforte. »Wir dachten schon, aus dir würde eine große Dame werden.« Sie lachte wie über eine Absurdität.
»Worauf du dich verlassen kannst«, sagte Phoebe ebenso erheitert. Sie hob zum Abschied die Hand, als sie die Pforte öffnete. »Granny, es ändert sich gar nichts. Ich bin dieselbe wie immer.«
Aus irgendeinem Grund brachte diese Bemerkung Granny Spruel dermaßen zum Lachen, dass ihr faltiges, wettergegerbtes Gesicht zu einem runzligen Apfel wurde. »Ja, das wird man sehen, meine Liebe«, sagte sie und ging noch immer lachend ins Haus.
Phoebe flog förmlich die Dorfstraße entlang, die Röcke hochraffend, damit sie nicht schmutzig wurden, obwohl es ohnehin zu spät war, wie sie reumütig überlegte. Der Saum ihres braunen Wollkittels und der einst weiße Unterrock darunter starrten vor Schmutz aus dem Kohlkopfgraben in Granny Spruels Garten. Cato hatte angekündigt, dass er zu Mittag zu Hause speisen wollte, und Unpünktlichkeit lieferte ihm immer Grund für eine seiner spöttischen Bemerkungen. Jetzt hatte sie keine Zeit mehr zum Umziehen. Aber das war für sie keine ungewohnte Situation.
Als sie sich dem Dorfanger näherte, sah sie eine kleine Gruppe um die Pranger geschart,
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