Braut wider Willen
Rippen, und der Schrecken des Morgens überfiel sie wieder mit aller Macht. Wer mochte hier zu dieser späten Stunde des Weges kommen?
Sie lief zum Haus zurück, den Schlüssel in der Hand, doch ehe sie die Tür erreichte, tauchte der erste Reiter am Gartentor auf, und eine Stimme tönte laut durch die Dämmerung. »Stillgestanden! Wer treibt sich hier herum?«
Phoebe erkannte Giles Cramptons unverwechselbaren Ton. Ihre Erleichterung wich sofort Beklemmung. Wo Giles war, würde Lord Granville nicht weit sein, da sie kurz vor Mittag gemeinsam aufgebrochen waren.
Sie musste die Sache durchstehen, wie Brian gesagt hatte.
Sie drehte sich um und sagte kühn: »Ich bin es, Giles.« Dann sah sie Cato und bekam trotz ihrer Entschlossenheit Herzklopfen.
»Phoebe, was, um Himmels willen, treibst du hier?« Cato saß ab. Er trat durch die Pforte und kam mit leichtem und behändem Schritt auf sie zu. Sein weißer Hemdkragen hob sich in der Dämmerung hell vom dunklen Leder seines Kollers ab. Vor ihr angekommen, legte er ihr die Hände auf die Schultern.
Zum ersten Mal zuckte Phoebe unter seiner Berührung zurück. Ein finsterer Ausdruck huschte über seine Augen, die dunkel und leuchtend auf ihrem bleichen Gesicht ruhten.
»Wovor hast du Angst?«, fragte er leise.
»Vor Euch.« Phoebe zwang sich, seinem Blick zu begegnen. »Meint Ihr nicht, dass ich guten Grund dazu habe, Mylord?«
In den Tiefen ihrer Augen lagen Kränkung und Unbezwingbarkeit. »Nein«, sagte Cato. »Du hast keinen Grund, mich zu fürchten.«
Phoebe senkte den Blick mit fast greifbarer Ungläubigkeit.
Catos Miene wurde angespannt, doch fragte er in ruhigem Ton: »Phoebe, was machst du hier so spät?«
»Meg braucht ihre Arzneien und macht sich Sorgen um ihren Kater. Ich brachte ihm Futter und sah nach, ob es ihm gut geht. Heute Morgen nahm er vor dem Pöbel Reißaus.« Ein Schauer überlief sie, und sie wandte sich halb ab, als wollte sie ihren Gesichtsausdruck vor ihm verbergen.
Instinktiv umfasste Cato ihren Nacken und umschloss ihn mit warmem und festem Griff. »Komm.«
Seine Reiter drängten sich auf dem schmalen Pfad. Ihre Pferde schüttelten unruhig die Köpfe und sogen schnaubend die Abendbrise ein. Die Männer trugen Piken und Musketen am Sattel, an ihren Gürteln steckten Schwerter.
Phoebe zögerte, als sie die Gruppe erreichte. »Es ist nicht nötig, dass Ihr Euer Vorhaben unterbrecht«, sagte sie steif. »Ich finde den Weg nach Hause allein.«
»Nein«, erwiderte Cato in endgültigem Ton. »Das wirst du nicht.« Er nahm Phoebe Korb und Laterne ab und stellte beides auf den Boden. »Gib mir deinen Fuß.« Er bückte sich und wölbte die Hand. »Halte dich am Sattelknauf fest, dann hebe ich dich hoch.«
Phoebe kletterte in den Sattel. Sie trug eines ihrer alten Kleider und einen abgetragenen Wollmantel mit fehlender Schließe, sodass es nichts ausmachte, wenn etwas zerriss. Sie setzte sich rittlings hin und schob die Röcke bis zu den Knien hoch, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie ihre bestrumpften Beine entblößte.
»Giles, es geht nach Hause«, rief Cato, als er die Laterne löschte und sie hinters Gartentor stellte. Er reichte Phoebe den Korb und saß hinter ihr auf. »Los, Gentlemen.« Er ritt los, und der Reitertrupp folgte ihm im Gänsemarsch.
Phoebe hätte sich zu gern gegen ihn gelehnt, in den Arm, der sie festhielt. Aber wie konnte sie das tun?
»Vor uns ist jemand«, flüsterte sie unvermittelt. Ihre Ohren waren besonders scharf, und sie hatte deutlich das Klirren von Zaumzeug gehört. »Horcht.«
Cato zog die Zügel an und gab seinen Männern das Zeichen zum Anhalten. Alle saßen reglos da und spitzten die Ohren nach Geräuschen aus der Dunkelheit der Waldungen, die den Weg säumten.
Und dann hörte Cato es auch. Im selben Moment hob Giles seinen Finger und deutete nach rechts. Ein Zweig knisterte, dann noch einer. Es folgte kaum hörbares Pferdewiehern. Dann wieder totale Stille. Nichts rührte sich, kein Waldhörnchen, kein Hase oder Fasan, nicht einmal ein Spatz. Und eben diese Stille war es, dieses völlige Fehlen normaler Geräusche, das Cato verriet, dass sie im Wald Gesellschaft hatten, die unentdeckt bleiben wollte.
Finster starrte er ins Dickicht. Wenn es sich um Royalisten handelte, musste er sie stellen. Unter normalen Umständen hätte er auch nicht gezögert, nicht zuletzt, weil er Giles' Kampflust witterte, als dieser sich auf dem schmalen Pfad an ihn drängte.
Aber mit Phoebe vor sich
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