Brautflug
während des Fluges nach Neuseeland neben mir saß und seitdem immer in meinen Gedanken gewesen ist.
Wie soll ich nur anfangen. An wen richte ich diese Worte. Du und ich, wir haben tatsächlich nicht die Möglichkeit gehabt, uns gut kennenzulernen. Inzwischen sind acht Jahre vergangen, und wir sind schon nicht mehr die, die wir damals bei unserer Begegnung waren. Vielleicht sind die Hände, in denen dieser Brief landet, nicht mehr die Hände, die ich bei der Landung hielt.
Das letzte Bild, das ich von Dir sah – Du saßest in der offenen Transportkiste eines Lieferwagens –, hat sich in meine Netzhaut eingebrannt. Und das ist nicht das einzige Bild, das auf meiner Netzhaut geblieben ist.
Deine Adresse habe ich von Marjorie bekommen (Sie meinte, Du würdest bestimmt noch wissen, wer sie ist). Ich habe sie durch Zufall auf einem Rugbyfeld in Wellington getroffen, wo ihr Sohn an einem Juniorwettkampf teilnahm. Wir stellten fest, dass wir schon ein paar Jahre lang nur anderthalb Autostunden voneinander entfernt wohnten, sie in Khandallah Village und ich auf meinem Grundstück in Martinborough.
Doch es ist wohl das Beste, wenn ich Dir etwas über meine Zeit hier erzähle, in groben Zügen, von dem Moment an, als wir uns voneinander entfernten, ohne Abschied nehmen zu können.
Die erste Nacht bin ich in Christchurch geblieben. Unsere Begegnung hatte mich sehr berührt. Am Abend spazierte ich (in Begleitung von Esther, der Name sagt Dir bestimmt noch etwas) am Ufer des Avon entlang, unzufrieden mit mir selbst, weil ich Dich nicht hätte gehen lassen sollen. Das hat mich lange beschäftigt. Die Frage ist, ob ich Dir das jetzt sagen kann.
In dieser Nacht habe ich kein Auge zugetan. Am nächsten Tag nahm ich den Zug zum Hafen. Lyttelton erinnerte mich an Indonesien, vielleicht war es der Geruch. Jedenfalls weiß ich noch, dass ich dachte: Dann fängt jetzt also das echte Abenteuer an, und so kletterte ich auf die Gangway der ›Maori‹. Gegen Abend legten wir ab. Die kleine, beengte Kabine teilte ich mit drei anderen Männern. Ich war so müde, dass ich in einen traumlosen Schlaf fiel und erst aufwachte, als wir uns am nächsten Morgen dem Hafen von Wellington näherten. Ich zog mich schnell an, innerlich fluchend, dass ich die Fahrt durch die Cook Strait im Sonnenaufgang verpasst hatte, und ging an Deck. Dort begrüßte mich eine unvergleichliche Umgebung und ein wunderschöner Tag. Zum ersten Mal war ich übermannt von Ergriffenheit über die Ankunft in einem neuen Land, anders als bei unserer eigentlichen Ankunft, die bei mir den traurigen Beigeschmack von Abschied zurückgelassen hatte.
Nachmittags kam ich mit dem Zug in Masterton an, wo ich von einem älteren Mann abgeholt wurde, dem Boss, den ich William nennen sollte. Wir fuhren von Masterton aus dreißig Kilometer in Richtung Küste, zu seiner Schaffarm in Riversdale. Ich war enttäuscht darüber, dass das Labour Department mich einem Schafbauern zugeteilt hatte, Schafbauern erinnerten mich an die Kleinbauern auf der Heide in Drenthe. Und an Armut. Aber bei der Ankunft sah ich ein riesengroßes Gelände mit Tausenden von Schafen, so weit das Auge reichte, und ich beschloss, meine Meinung darüber zu revidieren.
Die erste Zeit fiel mir nicht leicht. Allein das Geräusch machte mich krank. In der direkten Umgebung des Bauernhofes standen an die tausend Schafe. Tag und Nacht war ich umringt von Geblöke, eine Wand von Geblöke bei allem, was du tust, sodass du nicht mehr nachdenken kannst. Es gibt kein Entkommen, auch nicht im Dunkeln. Ich bekam Albträume davon, in denen ich zum Tode Verurteilte wimmern hörte.
Und dann, alle paar Tage einmal, gibt es einen magischen Moment, in dem alle Schafe gleichzeitig still sind. Hunde, Menschen, jeder hört mit dem auf, womit er gerade beschäftigt ist, und sieht auf. Eine beeindruckende Stille, die ein paar Sekunden lang andauert. Dann fängt ein Schaf wieder an, dann stimmt ein zweites ein, und fünf Sekunden später ist es, als wäre es nie anders gewesen. Ich verstehe nicht, warum Menschen so leben wollen. Und auch der Geruch, der schmierige Geruch der Schafe, der dir in alle Poren und unter die Kleider kriecht.
Aber die unangenehmste Überraschung war für mich das Heimweh. Heimweh nach Indonesien habe ich in Holland genug gehabt, aber mit Heimweh nach Holland hatte ich nicht gerechnet. Es gibt dort nichts, wonach ich mich zurücksehne. Und doch war es so. In der Scheune des Bauern lagen alte
Weitere Kostenlose Bücher