Brautflug
tanzte mit den Mädchen in der Community Hall und trank mit ihren Brüdern in den Pausen Bier, heimlich, hinter den beschlagenen Scheiben eines Autos.
Wäre ich länger geblieben, hätte ich mich bestimmt mit der Northern disease infiziert: »Nice day for work … yeah … let’s go fishing.« Es war ein angenehmes, subtropisches Leben dort, am Rande des Ozeans. Aber allmählich musste ich zugeben, dass die Arbeit mit Vieh nichts für mich war. Auch mit Kühen nicht. Auf die Dauer ist es geisttötend; du versetzt ihnen einen Klaps auf die Seite, befestigst einen Saugnapf an einer Zitze, galoppierst mit deinem Pferd dreimal im Kreis, und das war es dann auch schon mit der Abwechslung. Was bleibt, ist das Verlangen danach, Geld zu verdienen, mehr Grund und Boden zu haben, mehr Vieh, mehr Geschäfte. Das war mir nicht genug. Was ich jedoch wirklich wollte, wusste ich nicht mehr.
An einem freien Tag fuhr ich mit meinem Motorrad zu Mozie, der noch immer für den Krückenmann arbeitete. Wir besprachen meine Unruhe und Zweifel. Auf einmal sagte er: »Warum fängst du nicht an, Pinot Noir anzubauen?«
Niemand trinkt Wein in diesem Land. Sherry, der ist ihnen ein Begriff und Fusel wie Bakano Red und Cresta Doré White. In der Öffentlichkeit darf kein Wein ausgeschenkt werden. Dennoch wusste ich sofort, dass ich hiernach gesucht und das eigentlich auch schon die ganze Zeit über gewusst hatte – unbewusst, wie etwas, das bereits da ist und nur darauf wartet, ausgegraben zu werden. Ich bin kein Viehhalter und auch kein Plantagenbesitzer. Ich will Pflanzen wachsen lassen. Als Kind konnte ich unserem Gärtner auf Java stundenlang bei der Arbeit zusehen, wie er Stecklinge zog und den Nährboden düngte. Wann immer er es zuließ, half ich ihm. Das ist bei mir ein tiefes Verlangen und der Grund dafür, warum ich Landwirtschaft studiert habe. Warum war ich selbst nicht in der Lage gewesen, diesen Schluss zu ziehen? Jetzt kommt es mir merkwürdig vor, dass ich nicht von allein auf die Idee gekommen bin.
Ich machte einen Plan und fragte Mozie, ob er mir nicht helfen wollte. Ich wusste auch sofort, wo ich den Plan verwirklichen wollte (daran erkennt man eine gute Idee): in der Wairarapa, wo alles angefangen hatte. Vom Klima her erinnert die Gegend an die Bourgogne. Dort sollte mein Weinberg liegen. So weit war ich zwar noch nicht, aber das Ziel war klar. Und dann auf einmal fiel mir auf, dass ich schon die ganze Zeit über mein Gut vor mir gesehen hatte: groß und üppig, auf fruchtbarem Land, inmitten von glühenden Hügeln, und ich wusste, dass in diesem Bild kein Lebewesen vorgekommen war. Auf den Äckern meiner Träume hatte niemals Vieh gegrast.
Kurz und gut. Drei Jahre lang arbeiteten wir bei einem englischen Weinbauern in Marlborough und lernten dort einiges über Wein. Währenddessen machte ich in den Abendstunden über Fernkurse eine Winzerausbildung am Rosworthy Agriculture College in Australien. 1958 kaufte ich mit einem Bankkredit die acht Morgen Land bei Martinborough, deren Besitzer ich nun bin, am Fuße des Berges gelegen, der Untergrund Kies – ideale Voraussetzungen für Weinanbau. Jetzt, drei Jahre später, haben wir zum ersten Mal unsere eigene Ernte eingefahren, von der ich einen kleinen Teil selbst behalte, um damit weiterzuexperimentieren. Es wird wohl noch ein paar Jahre dauern, bis der Wein gut genug ist, dass wir ihn mit einem eigenen Etikett versehen können. Um Geld zu verdienen, arbeiten Mozie und ich bei den Bauern in der Umgebung. Wir pflücken Äpfel, teeren Schuppen und holen Heu ein. Aber das stört uns nicht, das Ziel ist klar.
Das ist so in etwa der Punkt, an dem ich jetzt stehe. Ich sollte zufrieden sein.
Und nun rückst Du wieder ins Bild oder besser gesagt: Hier schiebt sich das Bild von dem Mädchen in der Transportkiste dazwischen, das Bild, das mich gefangen hält, das ich mir immer wieder wachrufe, um den Moment wieder und wieder durchzuspielen, um dann am entscheidenden Punkt einzugreifen – an dem Punkt, an dem ich in Wirklichkeit nichts anderes getan habe, als aus dem dreckigen Fenster des Busses heraus zuzusehen. Acht Jahre lang beschäftigt mich das schon. Seit dem Treffen mit Marjorie noch mehr, bis ich nun endlich zu Papier und Stift gegriffen habe, um das Bild mit derjenigen zu teilen, die es verschwinden lassen kann.
Es ist fast, als wäre dieses Bild lebendig. Dort sitzt ein Mädchen im Regen in der offenen Transportkiste eines rumpelnden Lieferwagens, ein ziemlicher
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