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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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hatte zu große Angst, den Schafen wehzutun, hatte Visionen von Zitzen, über die ich mit einer dieser scharfen Schneidemaschinen hinwegfahren würde, und ich versuchte krampfhaft, um alle Knochen herumzuschneiden. Nachts träumte ich von furchtbar scharfen Messern, die außer Kontrolle gerieten.
    Doch das war nicht weiter schlimm, denn so wurde ich Farmer und mietete Scherer an. Ich schrieb mich im Young Farmers Club ein, der sich einmal im Monat traf. Die ersten Male lehnte ich mich den ganzen Abend lang zurück, zog ein intelligentes Gesicht und tat so, als würden mir all die Fachausdrücke in breitem Akzent keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Aber am Abend des ersten Social Evening würde ich selbst mitreden müssen, und auf einmal schien mir das so unmöglich, dass ich zu Hause blieb. Wenn du solche Chancen nicht ergreifst, hielt ich mir selbst belehrend vor, wirst du dich niemals integrieren. Bei der nächsten Versammlung wurde ich in ein Team für die Debating Competition eingeteilt. Frag mich nicht, wie ich es fertiggebracht habe, aber wir gewannen. Ich hielt durch, lernte Rugby und tanzte am Samstagabend in der Community Hall. Ich wollte auf keinen Fall ein Outcast bleiben. Und dennoch.
    Ich konnte nicht wirklich Fuß fassen. Wir waren zu dritt, drei Hirten: William, ein anderer Hirte und ich. William war ein umgänglicher Kerl, ein bisschen älter. Der andere Hirte wollte von Ausländern, die anderen die Jobs wegnahmen, nichts wissen. Die Station Hands waren nette Jungs, aber auch dieser Kontakt blieb oberflächlich.
    Die Wairarapa gefiel mir durchaus, dort ist es trocken und heiß. Ich hätte mich weiter qualifizieren und auf ein erstes Schaf sparen können, dann auf ein zweites, ein drittes, eine Herde, ein Stück Grund, eine eigene Sheepstation und auf die Tochter des Bauern. Aber ich wurde unruhig, und ich beschloss den Versuch zu wagen, einen neuen Job zu finden.
    Tiefer im Norden, in Whangarei, wurde ich bei einem Bauern angestellt, der in Ägypten gegen die Deutschen gekämpft hatte und mit einem lahmen Bein und einer miesen Grundstimmung zurückgekehrt war. Er lief an Krücken. Von der Regierung hatte er als Kompensation Land bekommen, das zum Teil noch bewaldet war. Die Arbeit bestand darin, Kauribäume zu fällen – riesige, über tausend Jahre alte Ungetüme –, um aus dem Land Weidegrund für die Viehzucht zu machen. »Breaking in the land« nannten sie das. Dort habe ich Mozie kennengelernt, der eigentlich Wiremu Moses Mauriohooho heißt und ein Vollblutmaori ist. Mozie hat ebenfalls gekämpft, in Frankreich. Er sprach über Wein. Er vermisste den Pinot Noir. Ein Maori, der im Burgund den Pinot Noir kennengelernt hatte und sich nun danach sehnte. So einer ist Mozie.
    Wir wurden Freunde. An den freien Tagen brachte er mir die Feinheiten des edlen Rugbysports bei, sodass ich regelmäßig grün und blau geschlagen und vor Muskelkater stöhnend im Bett lag. An den Arbeitstagen kämpften wir gemeinsam gegen den wilden, undurchdringlichen Wald an. Ich glaube, dass ich in dieser Zeit dreimal so kräftig geworden bin.
    Derweil versuchte ich, den Krückenmann, so gut es ging, zu ignorieren. Er zahlte schlecht und hatte immer was zu meckern. Doch eines Tages geriet ich mit ihm aneinander. Ich sollte Mist verteilen, während es in Strömen goss. Nach drei Tagen war sogar meine Seele durchweicht, und der Traktor fing an, über die dicken Matschschichten zu rutschen, daher sagte ich: So kann ich nicht arbeiten, ich warte damit, bis es wieder trocken ist. Er drohte, er würde mich entlassen, sollte ich es wagen. Ist mir nur recht, erwiderte ich. Dann konnte ich gehen. Er stand bis zu den Knien im Matsch und schrie mich an, mit seiner Krücke in der Luft herumfuchtelnd, es sei unser Krieg gewesen, und sein Leben sei dadurch zerstört worden. Das ist eine Art von Denken, die mir nicht gefällt.
    Widerwillig verabschiedete ich mich von Mozie. Dieses Mal wurde ich weiter nach Norden geschickt, als Aufseher auf einer Dairy Farm, in einem Weiler mit unbefestigten Wegen, wo viele Maori lebten. Der Bauer mit seiner Familie und der Nachbar, der achtzig Kilometer weiter wohnte, waren die einzigen Pakeha. An das Leben mit den Maori gewöhnte ich mich schnell. Als Aufseher der Farm – ich verwaltete dreitausend Morgen Land – mochten sie mich nicht besonders. Zu eifrig, zu effizient, zu dutch. Außerhalb verstand ich mich gut mit ihnen. Wir machten zusammen Sport, ich versuchte ein bisschen Maori zu lernen,

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