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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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gutzumachen. Schreiben würde sie jedenfalls nicht mehr, das war ausgeschlossen, sie würde sich ganz ihrer Familie widmen und daraus ihr Glück ziehen, so schwierig konnte das doch nicht sein. Aus der Ferne betrachtet erschien ihre Ehe gar nicht so schlecht. Sie war schon zwei Tage weg, jetzt musste sie aber wirklich wieder zurück. Hoffentlich bringt er die Kinder nicht vollkommen durcheinander. Hoffentlich reist er mir nicht hinterher. Er weiß nicht, wo ich bin, aber er könnte es sich denken, die Adresse steht als Absender auf den Briefen. Der Schreck versetzte ihr einen Stich. Ihr trat der Schweiß auf die Stirn, der ihr dann als kleines Rinnsal hinterm Ohr in den Kragen rann, sie wischte es weg. Nein, dachte sie, das kann er nicht machen, schließlich ist niemand da, bei dem er die Kinder unterbringen könnte. Doch zur Sicherheit sollte sie wohl doch lieber gleich zurückfahren. Dann eben in diesen Schuhen, in diesem Kleid. Wenn ich hier noch lange so stehen bleibe, bekomme ich einen Sonnenstich. Das Kleid war aus einem neumodischen Stoff gemacht, der ziemlich warm war. Sie kniete sich hin und öffnete ihren Koffer, irgendwo ganz unten musste ihre Sonnenbrille versteckt sein. Sie stopfte ihre alte Jacke wieder hinein, schloss den Deckel und stand auf. Ihr war hundeelend zumute. Und dann auf einmal sah sie ihn.
    Er lehnte an einem schräg gewachsenen Obstbaum, der am Rande des Hofes stand. Er sah zu ihr herüber und lächelte. Wahrscheinlich hatte er sie schon die ganze Zeit angesehen, während sie hier herumgestanden hatte. Ihre Überlegenheit war von einer Sekunde zur anderen verschwunden. Ada sackte in sich zusammen wie ein Luftballon, der einem beim Aufblasen quietschend aus den Händen entweicht. Ein Cowboy in Hemdsärmeln und Arbeiterhose, den Hut tief in die Stirn gezogen, ein Gewehr neben sich an den Baum gelehnt, und um die Taille einen Gürtel, an dem tote Vögel hingen. Langsam setzte er sich in Bewegung, löste den Gürtel und legte seine Beute neben das Gewehr. Sie sah auf seine schwarzen Arbeiterschuhe und wartete wie gelähmt, bis er dicht vor ihr stand. Sie hob den Blick und erkannte das Lächeln.
    »Da bist du ja.«
    Und die Stimme. Sie konnte kein Wort herausbringen, musste sich räuspern. Dann hielt sie sich, bevor sie in die Knie sacken konnte, am Geländer fest.
    »Ich war gerade in der Gegend.« Es klang unwirklich damenhaft, als würde sie in einem Theaterstück mitspielen, in dem sie mit abgespreiztem Finger ein Tässchen Tee trank, doch sie redete stur weiter, schließlich hatte sie geübt, »eine Tante in Wellington …« Sie sah seine Augen vergnügt aufblitzen, »die bat darum …«, er zeigte ein kurzes, lautloses Lachen, er warf seinen Kopf etwas zurück, »von Derk, eine Tante von Derk … sie ist krank, sie bat …«, er nickte ihr ermutigend zu, erzähl weiter, »daher dachte ich … es ist nicht so schrecklich weit … aber ich muss nachher wieder zurück, ich dachte …«
    Dann verstummte Ada. Sie hatte den Faden verloren.
    »Du dachtest dir, wenn du sowieso gerade in der Gegend bist.«
    »Ja!«
    Das Lächeln vertiefte sich. Er breitete seine Arme aus, ließ sie dann aber wieder fallen.
    »Ich muss gleich wieder weg«, sagte sie schnell.
    Er versicherte ihr mit einem Nicken, dass ihm das vollkommen klar war. Sie schwiegen, sahen einander prüfend an. Sie waren im Hier und Jetzt, was in ihren Briefen stand, war jetzt unwichtig, sie hatten keine Vergangenheit. Sie musste so schnell wie möglich wieder fort.
    Er machte ein Zeichen in Richtung Haus. »Eine Tasse Tee vielleicht?«
     
    Die Fenster standen offen. Sie hörte die Vögel und das Rascheln der Blätter im Baum auf dem Hof. Drinnen war die Temperatur gerade gut auszuhalten. Ada versuchte den Blick zu ignorieren, mit dem er sie von der Küche aus ansah, und schlenderte betont lässig durch den Raum. Sie hatte sich sein Haus vollkommen anders vorgestellt. Dies war keine unordentliche, hilflose Junggesellenbude. Auch wenn es einfach und ohne viel Geld eingerichtet war, so sprach aus jeder Ecke Kultur und Klasse. Dort war das riesige Ölbild einer mysteriösen Landschaft in einem schwarzen Rahmen, hier gab es Holzskulpturen, und sie entdeckte die Maske, von der er geschrieben hatte, die Stühle mit dem Holzschnitzwerk, ein altes Ledersofa, einen Sekretär – zu jedem Möbelstück gab es mit Sicherheit eine Geschichte.
    Diese Dinge wirken lächerlich in meinem einfachen Haus. Alles wartet auf bessere Zeiten. Drei

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