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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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allmählich unheimlich. Was um Himmels willen machte sie hier überhaupt, sie kannte Frank doch gar nicht. Ihre Leben hatten nicht die geringste Gemeinsamkeit. Wahrscheinlich hatten sie sich nichts zu sagen. Schreiben ist die eine Sache, phantasieren eine zweite, aber eine Unterhaltung führen war nun wirklich nicht ihre Stärke. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht. Während der Bus erbarmungslos weiterdonnerte, bereitete sie sich vor und dachte sich eine Ausrede aus, die ihren Besuch erklärte. Und direkt nach diesem Besuch würde sie in Martinborough ein Hotel nehmen. Was auch passierte, sie musste Überlegenheit ausstrahlen.
    Der Bus setzte sie ein Stück außerhalb des Dorfes ab, auf einer schmalen Straße irgendwo inmitten des weiten Landes, das von Bäumen umsäumt war. Sie blieb zögernd an der Haltestelle stehen, um Mut zu schöpfen. Zu einem großen Teil war das Land unkultiviert, nur ein paar Hektar waren beackert. Auf einigen Feldern sah man bereits Trauben an den Reben hängen, andere Felder waren gerade erst bepflanzt. In einiger Entfernung zur Straße sah sie den Hof, mit einem einfachen Haus, an dem noch gebaut wurde. Ein paar Bäume, eine Scheune. Und irgendwo, weit weg in den Feldern, am Fuße der Berge, stand ein alter Wohnwagen. Doch wie sehr sie auch Ausschau hielt, von Leben keine Spur.
    Bis zu dem Haus musste man ein ganzes Stück laufen. Obwohl die Sonne allmählich unterging, war es noch sehr warm. Ihre neuen Schuhe waren nicht gemacht für diesen unwegsamen Boden. Immer wieder knickte sie zwischen den Sträuchern um und redete dabei auf sich ein. Hör zu, sagte sie, ich bin eine verheiratete Frau, eine Mutter von drei Kindern, und er ist Junggeselle. Ich führe ein erwachsenes Leben, er nicht. Diesen Tatsachen müssen wir ins Auge sehen. Doch zu ihrem Entsetzen verspürte sie eine rasende Aufregung in ihrem Körper und bereute nun die Intimitäten, die sie in den Briefen ausgetauscht hatten. Sie hätte nicht so leichtherzig darüber schreiben dürfen. Das würde sie bereuen, wenn sie ihn gleich lebendigen Leibes vor sich hatte. Was habe ich nur getan, was hat mich nur geritten. In der Ferne erklang ein trockener Knall. Es konnte ein Gewehrschuss sein. Erschrocken stellte sie ihren Koffer auf die trockene Erde, legte die Hand schützend über die Augen und spähte über die Reihen von Sträuchern hinweg, doch sie entdeckte niemanden.
    Auch der Hof lag verlassen da. Sie sah Kisten und Kästen. Aufgehäufte Erde, eine Zementmühle, große hölzerne Fässer und unordentlich aufgestapelte Pfähle. Weiter vorn erkannte sie einen kleinen Traktor mit einem Pflug. In der Nähe des Hauses stand ein offener Jeep. Es war
sein
Jeep, registrierte sie, und wünschte, ihr Herz würde weniger laut schlagen. Spannung durchzog ihren Körper. Wahrscheinlich war er im Haus. Die letzten Meter bis zur
porch
legte sie in einem sonderbaren Zustand der Betäubung zurück. Jetzt muss es schnell gehen, wenn der erste Moment überstanden ist, wird alles besser. Sie sah, wie sich ihr Arm zur dunkelgrünen Tür ausstreckte und anklopfte, wie man das eben tat, wenn man auf Besuch vorbeikommt. Nichts passierte. Ada wandte sich ab und sah über die Felder, sodass es so aussah – sollte die Tür sich doch noch öffnen –, als würde sie das alles nicht sonderlich interessieren.
    Doch niemand öffnete, auch nicht nach mehrmaligem Klopfen. Er war nicht zu Hause. Zögernd lief sie auf die dunkle Scheune zu und sah hinein, obwohl die Stille hier eigentlich für sich sprach. Aufeinandergestapelte Fässer, sicherlich für den Wein. Und noch mehr Kisten und Flaschen. In der Ecke lag ein Berg weißer Vogelnester, von denen sie einige auch schon über den Sträuchern hatte hängen sehen. Auf ihren hohen Absätzen wankend, setzte sie ein paar ziellose Schritte zurück zum Hof und blieb dort stehen. Ihr war schwindelig vor lauter Unentschlossenheit und von der grellen Sonne. Auf den nächsten Bus zurück würde sie lange warten müssen. Das Hotel in Martinborough war mindestens einen einstündigen Fußmarsch von hier entfernt, keine angenehme Aussicht, mit den Blasen von den engen Lederbändchen an den Füßen. Das Gute daran war jedoch, dass er dann gar nicht erfahren würde, dass sie hier gestanden hatte. Vielleicht war es ein Zeichen. Derk konnte sie erklären, dass sie drei Tage lang in Christchurch herumgelaufen wäre, einen kleinen Ausflug würde er ihr doch wohl verzeihen, schließlich hatte er ja etwas

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