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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Schlafzimmer.« Sie schüttelte den Kopf, es war nicht gut. »Ich beziehe das Bett neu.« Sie lachte kurz auf und verspürte dabei einen scharfen Schmerz in ihrem Bauch wegen all der Dinge, die nicht sein durften.
    »Das ist nicht gut«, sagte sie dann einfach laut.
    Weil sie danach beide schwiegen und über diesen Satz nachdachten, hörten sie deutlich das Geräusch des Busses in der Ferne. Sie sahen auf ihre Hände, die so selbstverständlich ineinanderpassten. All die Dinge, die sie ihn fragen wollte, alles, was sie ihm erzählen wollte. Alles, was noch passieren sollte, was es noch zu entdecken gab. Alles, was sie nicht getan hatten.
    »Schreiben wir uns weiter?« Er nahm ihre Hand nun in beide Hände, genau wie damals. Am liebsten hätte sie sich in seine Handfläche gekuschelt und geschlafen. Der Busfahrer hatte sie gesehen und verlangsamte seine Fahrt. Um den Bus herum wirbelte eine riesige Staubwolke. Es regnete förmlich kleine Kieselsteine, die vom Boden aufsprangen. »Nein«, sagte sie schnell, »das ist nicht gut. Er ist schrecklich wütend geworden. Keine Briefe mehr.« Unter lautem Dröhnen hielt der Bus an der Haltestelle. Seufzend öffnete sich die Tür. Seufzend zog sie ihre Hand aus seiner zurück. Er sah sie prüfend an. »Aber Ada«, sagte er, »bist du dann gekommen, um dich zu verabschieden?«

21
    Gespannt wie eine Feder, lag sie im heißen Wasser und lauschte auf die Geräusche des Hauses. Er hatte sich ein großes Badezimmer gebaut, und darin stand eine Badewanne. Alle Häuser in Neuseeland hatten Badezimmer mit fließend warmem Wasser und einer Badewanne, das war für sie eine überraschende Entdeckung gewesen, als sie vor zehn Jahren ins Land gekommen war. In Holland war das ein Privileg der Reichen. Freitags stand eine Wanne in der Küche, das Wasser wurde im Kessel auf dem Herd erhitzt. Erst durfte der Vater, dann die Mutter und danach die Kinder hineinsteigen. Sie hätte sich also durchaus steigern können, doch in dem Bunker hatten sie weder fließend warmes Wasser noch eine Badewanne, und so wurde sie die einzige Bewohnerin Neuseelands ohne das alles. Heutzutage hatten in Holland auch die normalen Leute ein Badezimmer mit warmem Wasser, »dank des wachsenden Wohlstands«, schrieb ihre Mutter. Selbst ihre Eltern hatten eines. Nur in dem Bunker gab es noch kein Badezimmer mit warmem Wasser, hier gab es keine Badewanne und keinen wachsenden Wohlstand. Etwas hatte sie in den ersten zehn Jahren ihrer Auswanderung von Grund auf falsch gemacht, aber das würde sich jetzt ändern. Sie ließ sich ein Stück weiter ins Wasser gleiten, zog ihre Füße an, legte die Füße auf den Badewannenrand und schloss die Augen, obwohl die Badezimmertür nicht abgeschlossen war. Sie würde jemand wie Frank werden, den sie in diesem Moment im Wohnzimmer herumräumen hörte. Während er das Saxophonsolo einer Jazzplatte mitpfiff und dabei in aller Ruhe das Essen für sie bereitete (er machte Essen für sie!), so jemand, der sich überall zu Hause fühlte, selbst in dieser Situation, in der ein Mann und eine Frau umeinander herumschleichen, obwohl beide wissen, dass es darauf hinauslaufen wird, dass sie ihre Kleider ausziehen und sich mit ihren Körpern sehr nah kommen werden, trotzdem sie einander nicht gut kennen und von keiner einzigen Instanz die Zustimmung erteilt bekommen haben. Hurerei, Unreinheit, Unzucht, darauf würde es hinauslaufen, und das schien ihn nicht sonderlich nervös zu machen. So wollte sie zukünftig auch sein. Es hatte mit der Größe seines Badezimmers zu tun und mit der ganzen Atmosphäre in seinem Haus, die genauso war, wie sie es sich immer gewünscht hatte, auch wenn sie sich das eigentlich noch nie wirklich überlegt hatte. Dass es kein Schloss an der Tür gibt, weil man zu kultiviert ist, um ohne anzuklopfen eine geschlossene Tür zu öffnen. Es hatte mit den breiten, rechteckigen Fenstern zu tun, die weit offen standen und aus denen heraus man vom Bad aus direkt auf die Sterne sah. Es hatte mit dem Handtuch zu tun, das auf dem Hocker auf sie wartete. Ein großes Leinenhandtuch mit eingestickten Initialen, das vollkommen verschlissen war, aber wohl einst sehr wertvoll gewesen war. In der Zeit, als es in einer javanischen Villa von einer hübschen, verlorenen Frau und einem ernsten Mann benutzt wurde, von seinen Eltern, Menschen mit angeborenen guten Manieren und eleganten Gedanken, Menschen aus gutem Hause. Für Ada war ganz klar, dass in der Villa ein Flügel gestanden hatte, auf

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