Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
Vom Netzwerk:
bedeutungsschwer, weil sie buchstäblich seinen Fußspuren von vor zehn Jahren folgte. Ich werde dafür sorgen, nahm sie sich vor, dass ich morgen früh rechtzeitig aufwache, um die Fahrt durch die Cook Strait mitzuerleben, für dich, ich tue es noch einmal, für dich. Ganz von allein ging die Unterhaltung in ihrem Kopf wieder los. Die Palmen, sagte sie, es waren die Palmen, die dich an Indonesien erinnerten, damals. Aus alter Gewohnheit ignorierte sie das Augenzwinkern, das ihr der Steward schenkte, der ihr Ticket abriss, und während sie erhobenen Hauptes über die Gangway lief – eine neue Frau in einem neuen Kleid –, beschrieb sie, wie die untergehende Sonne die Hügel von Lyttelton erhellte. Zu spät fiel ihr ein, dass die neue Frau so ein Augenzwinkern hätte parieren können.
    Sie teilte die Kabine mit zwei älteren Damen, mit denen sie nur die notwendigsten Worte wechselte. Das Meer war ruhig und spiegelglatt, es ging kein Lüftchen. So lange sie konnte, blieb sie an Deck, an die Reling gelehnt, und beschrieb, wie unbedeutend der Hafen in der Ferne erschien, wie endlos die See war: groß, dunkel und geheimnisvoll. Als ihr kalt wurde, ging sie in ihre Kabine und streckte sich in ihrer neuen Unterwäsche unter der Decke aus, fiebernd vor Aufregung. Genau wie Frank damals hatte auch sie die Nacht zuvor kein Auge zugetan. Es stimmt alles, dachte sie zufrieden, kurz bevor die Wogen sie sanft in den Schlaf wiegten. Sie hatte schon seit Stunden nicht mehr gewagt, an zu Hause zu denken.
     
    Um fünf Uhr erklang ein kurzes Klopfen an der Tür ihrer Kabine. Die älteren Damen ächzten und drehten sich auf die andere Seite. Einen Moment lang dachte sie, sie würde in ihrem eigenen Bett liegen, doch dann schoss ihr die Wahrhaftigkeit dieser Reise wieder in den Kopf. Im Dunklen kleidete sie sich an und stolperte nach draußen aufs Deck. Gähnend und zitternd vor Kälte sah sie sich um. Ein eiskalter, schwarzblauer Himmel hing noch über dem Meer und zwischen den dunklen Hügeln, die in der Ferne aus dem Wasser emporragten. Sie klapperte mit den Zähnen und fragte sich, was sie hier eigentlich tat und ob Derk die Kinder zugedeckt hatte, bevor er schlafen gegangen war. Einen Moment lang war es, als wäre sie im Kinderzimmer. Bevor sie sich jedoch über Dannys Bett beugen konnte, der es wie immer geschafft hatte, mit der Stirn gegen das hölzerne Kopfende zu stoßen – noch bevor sie sich über das schlafende Kind beugte, es mit beiden Händen ergriff und den schweren Körper vorsichtig nach unten zog, sodass der Kopf wieder frei lag – noch bevor sie seine Decke wieder über ihn gezogen und kurz ihre Hand in seinen warmen Nacken gelegt und über den breiten Rücken gestrichen hatte – und glücklicherweise auch, bevor der Stich von Liebe ihr Herz erreichen und sie sich elendig fühlen konnte –, kletterte die erste orangefarbene Glut der Sonne hinter den Hügeln empor und färbte das Wasser indigoblau. Kurz darauf glitt goldener Satin die Bergspitzen hinab, und dasselbe geschah im Spiegelbild des Wassers, bis das Gold dann die Wasseroberfläche berührte. Und inmitten des Blaus zog das Schiff einen langen Schatten hinter sich her. Sie hörte Trompeten erschallen, zweifellos, es gab doch so etwas wie Vergebung. Noch nie hatte sie so etwas Schönes gesehen. Die Dunkelheit des Kinderzimmers verschwand, und in lyrischen Worten beschrieb sie Frank, was er damals verpasst hatte.
     
    In Wellington ging ein so starker Wind, dass sie ihren Streifenrock festhalten musste. Die Gebäude waren höher und die Straßen belebter als in Christchurch. Hier irgendwo wohnt also Marjorie, dachte sie beunruhigt, und in seinem letzten Brief hat er von einem Treffen mit Esther geschrieben, die hier seit kurzem einen Laden hat. Schnell fragte sie nach dem Weg zum Bahnhof.
     
    Hier auf der Nordinsel war es so warm, dass die Zugfenster sperrangelweit offen standen und ein schwüler Wind einem den Kopf umwehte. Hoffentlich hatte Derk nicht vergessen, Julie ihre Sportsachen einzupacken. Sie lehnte sich vor und legte ihre Hände auf die Oberschenkel, ließ sie über den glatten Stoff der bunten Streifen gleiten und schloss die Augen. Ada hatte das Abteil für sich allein. Eigentlich war sie sich sicher, dass Derk es vergessen hatte. Sie sah das Bild eines aufgelösten Mädchengesichts vor sich. Schnell machte sie wieder die Augen auf.
    Auf ihrer letzten Etappe an diesem Tag, der holprigen Busfahrt nach Martinborough, wurde es ihr

Weitere Kostenlose Bücher