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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Schubladen hat der Sekretär meiner Mutter und eine Schreibfläche, deren lederne Oberfläche ziemlich ramponiert ist. Ehrlich gesagt ist dies kein Möbelstück für Männer, er ist zu zerbrechlich, ich muss meine Beine auf schrecklich unbequeme Art zur Seite quetschen, damit ich überhaupt daran sitzen kann. Der Schlüssel an der Unterseite der Schreibfläche fällt ständig heraus. Eigentlich mag ich überhaupt keine alten Sachen! Dass ich dennoch daran sitze, tue ich in der Hoffnung, dass mir dann die richtigen Worte einfallen. Du bist in meiner Erinnerung ebenso hübsch und verloren wie sie.
    Bücher, achtlos aufeinandergestapelt.
Grausamer Atlantik, Expeditionen mit der Kon-Tiki
. Ein Plattenspieler, reihenweise Schallplatten. Ada sah den Bunker vor sich, ihre nichtssagende, zusammengesammelte Einrichtung, von der nicht ein einziges Stück die Anmut besaß, die sie hier verspürte. Der Geburtstagskalender mit Bildern des Königshauses, den ihre Mutter aus Holland geschickt hatte. Die verschlissene, gehäkelte Überdecke auf ihrem Bett, der Resopaltisch, an dem sie aßen, der immer auf dem unebenen Fußboden wackelte und ein nervtötendes Geräusch machte, wenn man ihn verschob.
    Auf der ledernen Schreibfläche des Sekretärs lag ihr letzter Brief. Und an der Rückwand aus Holz stand das Foto von ihr im Badeanzug. Er sieht mich an, wenn er hier sitzt. Schöne, volle, runde Schenkel hast Du, das waren seine Worte. Jetzt sah sie ihn hier sitzen, während er schrieb.
    »Du hast dich nicht verändert.«
    »Doch, habe ich.«
    Über dem Sekretär hing ein Foto in einem dunklen Holzrahmen. Ein Mann stand neben einer Palme in einem kupfernen Blumentopf, ein ernster Mann, vor sich auf dem Stuhl eine blonde Frau (hübsch und verloren, dachte Ada unwillkürlich) in einem langen, weich fallenden Kleid, wie es in den Dreißigerjahren in Mode gewesen war. Die Hände des Mannes ruhten auf ihren Schultern. Die Frau hatte ein Baby auf dem Schoß. Neben ihr stand ein etwa fünfjähriger Junge. An den Augen erkannte sie Frank.
    »Und was hat sich an dir verändert?«
    »Meine Haare!«
    Er kam mit einem Tablett herein. »Ach so, das meinst du«, sagte er, während er das Tablett auf den Tisch stellte und auf sie zukam, »steht dir gut.«
    Sie strich über ihr kurzes Haar, um irgendetwas zu tun und nicht zu spüren, wie nervös sie bei jedem Schritt wurde, mit dem er näher kam. »Das ist modern«, sagte sie so nonchalant wie möglich, aber direkt danach entkam ihr ein verschreckter Piepslaut, weil er sich ihr so weit genähert hatte. Er lachte, als würde er sie auf einmal wiedererkennen. »Ada van Holland«, sagte er. Da war es wieder. In ihren Augen leuchtete die Freude zweier Menschen, die sich nach langer Zeit endlich wiedersehen. Noch drucksten sie beide etwas herum.
    Draußen erklang das Geräusch eines Motorrades, das durch das Feld angefahren kam. Schreckhaft wie eine Fahnenflüchtige drehte sie sich zum Fenster. »Wer ist das?« Das Motorrad hielt vor dem Haus. Sie lief zum Fenster, mit pochendem Herzen und einem rasend schlechten Gewissen. Frank stellte sich neben sie. Sie sah einen dunklen jungen Mann, unverschämt gut aussehend, er trug ein kariertes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Starke, muskulöse Arme. »Ein Maori«, sagte sie erstaunt.
     
    So kam es, dass sie nicht viel später in der bereits tief stehenden Abendsonne zwischen zwei Männern über das Gelände streifte. Ihr schwindelte, von der Wärme und von der Aufregung. Du bekommst eine Führung, sagten sie, und Frank hatte sie an den Hüften gepackt und auf einen Stuhl gesetzt, um ihr dann, ohne zu fragen, ihre neuen Schuhe auszuziehen und ein paar schwere Arbeiterstiefel überzustreifen. Seine Hand lag dabei fest um ihr Fußgelenk, danach glitt sie hoch zu ihren Waden und umfasste diese. Die Stiefel waren ihr natürlich zu groß, sie rutschte darin nach vorn, und ab und zu stolperte sie sogar. Doch das trug an diesem brütend heißen Nachmittag noch zum Vergnügen bei, dem sie sich vorsichtig immer mehr hingab. Sie war achtundzwanzig, so alt war das noch nicht, und sie konnte sich in diesem Moment nicht mehr an ihre schweren Verantwortungen erinnern, dafür war ihr Kopf zu leicht. Sie schämte sich zwar ein bisschen für ihr Englisch, aber es musste sein, wegen Mozie.
    »Das war mal ein Obstgarten, aber als wir hier ankamen, war er schon seit Jahren verwildert. Dort drüben stand noch ein rostiger Schuppen, der in sich zusammengefallen ist, wenn man ihn nur

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