Breaking News
»’kay. Ich geh mir eines kaufen.«
»Das besorgen wir«, sagt Perlman, vor seinem inneren Auge, wie sie irgendeinen Fetzen von der Stange zieht. »Welche Größe?«
»Fragen Sie beim Zirkus nach.«
Er lässt eine Auswahl kommen. Dekolletiert, schulterfrei. Gucci, Jil Sander, Dolce & Gabbana. Wie sich erweist, stellt Cox’ Größe kein Problem dar, das Zauberwort heißt Stretch-Anteil. Sie vereinbaren eine Modenschau in ihrer Wohnung, in Anwesenheit ihrer Mitbewohnerin, wie Perlman insistiert, aber als er dort eintrifft, ist Cox allein.
Er fühlt eine gewisse Befangenheit.
Sitzt steif auf dem Rand des zerschlissenen Sofas unter dem Amy-Winehouse-Poster und fragt sich, was er da bloß losgetreten hat, während sie aus dem Schlafzimmer ruft:
»Jil Sander geht gar nicht.«
Minuten vergehen. Sie probiert nicht nur die Kleider durch, sondern auch alle erdenklichen Flüche.
Endlich erscheint sie im Türrahmen.
»Und?«
»Näher ran.«
Zögerlich leistet sie Folge.
»Wenden.«
Dreht sich wie ein Revuepferd. Über ihrer Trapezmuskulatur steht der Reißverschluss offen.
»Jetzt sagen Sie schon was.«
»Wieso ich?« Perlman genießt es. »Wie gefällt’s Ihnen ?«
»Weiß nich.«
»Kommen Sie, Shoshana. Eigene Meinung ist gefragt. Im Zweifel haben Sie niemanden, der Ihnen sagt, wie Sie aussehen. Was zeigt Ihnen der Spiegel?«
»Eine Saturnrakete, die in einen Fallschirm geschossen wurde.«
Perlman muss lachen. »Noch mal.«
»Na ja – Scheiße ist anders, oder?«
Er gibt auf. »Sie sehen großartig aus.«
»Echt jetzt?«
»Echt jetzt.«
Sie dreht sich erneut, koketter, schaut an sich herab, tapst auf nackten Füßen vor ihm hin und her.
»Und Schuhe?«
»Halte ich für angeraten.«
»Was für Schuhe, Ric?«
»Was würden Sie denn gerne für Schuhe tragen?«
Sie kraust unsicher die Brauen. »High Heels?«
Damit wären’s dann zwei Meter, denkt er. Von der Absatzspitze bis zum Scheitel. Mindestens.
Er nickt. »Unbedingt.«
»Gut.« Sie grinst. »Dann dürfen Sie mir jetzt den Reißverschluss zumachen.«
Als er mit ihr im Verteidigungsministerium aufkreuzt, fällt der anwesenden Intelligence wie zu erwarten die Olive aus dem Martini. Ein atemberaubend proportionierter Muskelberg in schulterfreier, eng anliegender Gucci-Robe, Schädel rasiert, zwei Meter und zwei Zentimeter groß (nachgemessen!), das bekommen sie nicht jeden Tag zu sehen.
Dabei war er zwischendurch in arge Zweifel geraten.
Shoshana und High Heels –
Schnapsidee, das Ganze.
Der Abend rückte näher, und Perlmans Sorge wuchs. War er vielleicht zu weit gegangen? Sie sollte ja nicht durch den Abend stolpern, außerdem fühlte er eine gewisse, ihm unangenehme Hybris keimen.
Shoshana Cox.
Mein Geschöpf!
Und das Geschöpf kommt rein in seinem Abendkleid und fällt als Erstes auf die Schnauze.
War er etwa Henry Higgins?
Doch seine Furcht erweist sich als unbegründet. Sie stolziert übers Parkett, als sei sie nie auf etwas anderem gelaufen. Wieder darf er Zeuge ihrer speziellen Begabung werden. Nicht, dass es als Zeichen sonderlicher Intelligenz zu gelten hätte, auf zwölf Zentimetern rumzustöckeln, nur hat sie die Herausforderung einmal mehr durch intellektuelle Vorarbeit gelöst. Ausgiebig darüber nachgedacht, wie man mit Grandezza auf den Dingern geht, sie erst dann angezogen –
Und es gekonnt.
Auch mit der Konversation scheint es zu klappen. Gute Laune brandet auf, wo immer sie steht. Perlman hat sie recht schnell sich selbst überlassen, sie soll nicht das Gefühl bekommen, er ziehe sie am Nasenring durch die Manege. Nur gelegentlich schaut er zu ihr rüber, vergewissert sich, dass es ihr gut geht, und kann einfach nicht anders, als Stolz zu empfinden.
Ein bisschen ist er eben doch Henry Higgins.
»Wusste gar nicht, dass Brigitte Nielsen und Godzilla eine Tochter haben.« Hill tritt neben ihn. Erst jetzt wird Perlman bewusst, dass der Chef des Zentralkommandos Cox nie persönlich getroffen hat.
»Lassen Sie sie das bloß nicht hören.«
»Oh, sie macht was her.«
» Das dürfen Sie ihr sagen.«
»Die gehört zum Film. Auf den Laufsteg.« Hill reibt sein Kinn. »Einen sehr stabilen Laufsteg.«
»Hmja«, schmunzelt Perlman.
»Und Sie sind sicher, dass die bei uns richtig ist?«
»Ihre Ausbilder sind sicher.«
»Auf Ihre Verantwortung, Ric.«
Und das ist ernst gemeint. Keine Kinkerlitzchen, soll es heißen. Kein James-Bond-Scheiß. Schaff dir kein Hobby an, Perlman, für das du hinterher
Weitere Kostenlose Bücher