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schon, im Gazastreifen, und was ist dabei herausgekommen? Die Hamas, also bleibt uns bloß weg mit Demokratisierung.
Da hilft es auch nicht viel, dass Schimon Peres den arabischen Nachbarn im Alleingang Unterstützung anbietet. Netanjahu bleibt stumm. Anstatt Verständnis dafür zu äußern, dass Millionen Menschen sichihrer diebischen, folternden Despoten zu entledigen wünschen, verharrt er in Beklommenheit. Zu fragmentiert ist die Knesset, mit Splitterparteien gespickt wie ein Minenfeld, lauter militante Minderheiten, die einen ruckzuck die Macht kosten können.
Und Netanjahu ist gerne an der Macht.
Divide et impera.
Bloß nichts aufs Spiel setzen, sieht man ja, wohin das führt. Im Frühjahr etwa: Kaum fasst er sich ein Herz und stellt großzügige Gebietsabtritte an einen künftigen Palästinenserstaat in Aussicht, schon geht ihm die Nationale Union an die Gurgel. Klar, er hat es so gewollt, das Bündnis mit den Ultrarechten und Ultraorthodoxen. Aber deren Einfluss nimmt beständig zu. Die Arbeitspartei, einst linkes Gegengewicht, hat nichts mehr zu melden, er damit aber auch nicht. So konservativ kann sein Likud gar nicht auftreten, dass nicht mindestens zehn andere noch viel verbohrter wären. Jede falsche Bewegung empört irgendeine Minderheit, Religiöse, Russen, Alte, Junge, keinem kann er es recht machen, und dann muss er sich zu allem Überfluss auch noch mit Sozialprotesten rumschlagen. Zu Hunderttausenden gehen sie auf die Straße. Nicht dass sie ihn loswerden wollen, Israel ist nicht Ägypten, sie protestieren gegen Wohnungsnot, drückende Steuern, steigende Lebensmittelpreise, das marode Gesundheitssystem, aber es nervt, es nervt gewaltig!
Im Kopf von Netanjahu:
Muss hier sein, dort sein. Aus dem Gazastreifen schießen sie Qassam-Raketen rüber, viele dieses Jahr, der Süden leidet, muss Gegenoffensive starten, Schlag, Gegenschlag, Schlag, Gegenschlag, Islamischer Dschihad schlägt Waffenstillstand vor, schneller gebrochen als vereinbart, Siedler beschweren sich über dies und das, unsere Leute haben ägyptische Grenzbeamte abgeknallt, tragisches Versehen, zu spät, in Kairo stürmen sie die Botschaft, apropos Botschafter, was macht eigentlich unser Botschafter in der Türkei, ach, ausgewiesen, Erdoğan immer noch sauer wegen des Angriffs auf die Gaza-Flotille letztes Jahr, schon klar, neun tote Türken, Augenblick, wie war das, Abbas will im Alleingang einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 ausrufen und damit vor die UN ziehen, Affront, Eklat, absolut inakzeptabel, wie kann er das machen, er soll sich verdammt noch mal mit uns zu Friedensgesprächen an den Tisch setzen, ach, die hab ich selbst auf Eis gelegt, egal, Charme-Offensiven aus Ramallah sind nicht gut, wo alle Welt schon so verzückt ist von den meuternden arabischen Massen, oh, Telefon, wie, was hat der ägyptische Übergangspremier gesagt, der Friedensvertrag mit Israel sei nicht mehr sakrosankt, wie heißt der überhaupt, derArsch, aber da haben wir’s, ich hab’s euch ja gesagt, Moment, schon wieder Telefon, was, Anschlag auf Gaspipeline im Sinai, Brandstiftung in israelischer Moschee, Abbas von UN -Delegierten bejubelt, Nobelpreis für Chemie an Israel verliehen –?
Ach so. Das ist was Gutes.
Selten genug.
Aber so sieht es eben aus, dass alle Welt ihn mit Befindlichkeiten triezt, und Obama, dieser Idiot, ist auch nicht gerade eine Hilfe. Wie kann man ihm also unterstellen, er sei unflexibel?
Er ist alles, nur nicht unflexibel!
Mag sein.
Nach außen wirkt er so flexibel wie in Harz gegossen.
Und wenn er sich mal bewegt, scheint es nur zu geschehen, um den Ausbau von Siedlungen zu genehmigen, die dem Friedensprozess im Weg stehen wie Klafterholz. Weshalb die öffentliche Wahrnehmung Israels gerade nicht die allerbeste ist: ein Staat, verkapselt in sich und seinen Ressentiments, störrisch, unbeweglich, unbelehrbar.
So stellt es sich von außen dar.
Von innen betrachtet ist Israel vor allem eines:
Ein Phänomen.
Hagen sitzt an der Ecke Frishman und Sirkin Street vor einem kleinen Bistro und schlürft seinen Tee.
Genießt jeden Schluck.
Ein Strauß frischer Minze, aufgepeppt mit einem Spritzer Limette. Heiß und belebend. Das Zeug spült die Substanzen aus seinem Körper, mit denen er in Damaskus begonnen hatte, sich zugrunde zu richten.
Klärt seinen Geist.
Seit drei Tagen trinkt er nichts anderes mehr.
Von der gegenüberliegenden Straßenseite weht Gesang herüber, ein Kindergarten vielleicht oder
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