Breaking News
heute abzulaufen haben. Was ihr in Deutschland hinbekommen habt, das können wir schon lange.
Friedlich, friedlich!
Ihr Mantra in Tunesien.
In Ägypten.
Nun ist dieser Ben Ali ein seifiger Kleptokrat, dessen Lächeln die Hochglanzseiten der Gesellschaftsmagazine ziert. Vielleicht nicht ganz so glamourös wie seinerzeit der Schah von Persien, aber doch ein verlässlich erblühender Furunkel am Arsch des Boulevard, mit einer Gattin, deren Gucci-Outfits und 1000-Dollar-Frisuren dem Westen schon reichen, um darin ein Bollwerk gegen den Islamismus zu erblicken, ungeachtet dessen, dass sie die Korruption erfunden haben könnte. Dieser Gentleman-Diktator ist viel zu eitel, um sich von irgendwelchen Revolutionären in die Pomade packen zu lassen. Seine Eitelkeit schlägt sogar noch seine Herrschsucht, darum macht er sich lieber vom Acker, statt den Märtyrer zu geben. Sitzt in seinem saudischen Exil und hadert. War er nicht angetreten, um Gutes zu tun? Hat das Land modernisiert, den Sozialstaat geplant, die Emanzipation der Frau vorangetrieben. Sicher, sein Apparat war repressiv und grausam. Musste er aber doch auch sein, um all die Memmen und Vollidioten, aus denen sich Völker naturgemäß zusammensetzen, an die Kandare zu nehmen. Geschah nicht alles zu ihrem Besten?
Undankbare Schwachköpfe!
Aber Ben Ali hat Stil, er hat nicht die Armee mobilisiert, keinen Bürgerkrieg vom Zaun gebrochen, damit sie ihn hinterher noch mehr dämonisieren können. Lieber gibt er sich in den Weiten der wahhabitischen Paläste, die seine neue Heimat sind, der Verbitterung hin. Seine geliebte Leila hat schnell noch anderthalb Tonnen Gold mitgehen lassen, das sollte fürs Alter reichen.
Machen wir uns nichts vor.
In Tunesien hatten sie einfach Glück.
Mubarak ist aus anderem Holz geschnitzt.
Der Pharao wehrt sich verbissen. Lässt seine Schlägertrupps von der Leine, versucht die Demonstranten zur Gegengewalt zu provozieren. Aber auch er kann nicht verhindern, dass sein Land zum Sinnbild für die Disziplin der Massen wird, die sich weder einschüchtern noch radikalisieren lassen. Der Witz ist ja, es gibt keine Anführer, keine charismatischen Lichtgestalten, die man verhaften, foltern und hinrichten könnte, um der Revolte den Kopf abzuschlagen. Sie entsprießt dem virtuellen Nährboden von Facebook und Twitter, und nichts davon haben die Diktatoren des Nahen Ostens auf dem Schirm, also geht auch Mubarak in die Knie, unter dem Druck friedlicher Proteste. Libyen hat weniger Glück, wird ins Chaos gerissen, was die Woge der Sympathie nur umso mehr anschwellen lässt.
Teufelskerle, diese Revolutionäre!
Denen muss man helfen, denn, Schlussfolgerung des Westens:
Die wollen, was wir wollen.
Wollen sie natürlich nicht.
Der Begriff Demokratie ist ungefähr so dehnbar wie ein ausgekauter Spearmint-Strip, kein Mensch kann sagen, wohin das alles führen wird, und dass einige der Teufelskerle, ob wissentlich oder nicht, ebenjenen Kräften zuarbeiten, auf die man in Europa und den USA mit Ausschlag reagiert, steht außer Zweifel, und doch – im Herbst 2011 schlagen die Herzen der freien Welt mit Inbrunst für den arabischen Widerstand.
Und das verändert so einige Sichtweisen.
Israel zum Beispiel fällt in all der Aufregung hintenüber.
Es findet kaum noch statt, und wenn, scheint sich seine Rolle auf die des notorischen Spielverderbers zu beschränken, der überall Khomeini-Klone aus dem Boden wachsen sieht. Netanjahu bangt um die Einhaltung der Friedensverträge, fürchtet eine dritte Intifada, nicht auszudenken, spränge der Funke der Revolution auf die besetzten Gebiete über. Doch die Dinge entwickeln sich mit oder ohne Israel. Ebenso gut könnte er Signale des Respekts und der Ermutigung an Ägyptens Revolutionäre senden. Sich ihnen als Partner anbieten, damit aus dem kalten Frieden der Machthaber ein Frieden der Völker wird. Die festgefahrenen Verhandlungen mit Mahmud Abbas wieder aufnehmen, der Alte soll ja zu allerlei Konzessionen bereit sein. Wann eröffnen sich historische Chancen, wenn nicht in Krisenzeiten?
Doch Netanjahu lässt jede Chance verstreichen.
Eine nach der anderen.
Noch im Januar fordert er die Weltgemeinschaft auf, Mubarak zu unterstützen, im Februar weint er ihm vernehmlich hinterher. Die unschlagbare Pointe des Ganzen ist, dass sich die einzige Demokratie des Nahen Ostens vor nichts mehr zu gruseln scheint als vor der Demokratisierung ihrer Nachbarn, nach dem Motto: Freie Wahlen? Besten Dank, hatten wir
Weitere Kostenlose Bücher