Breaking News
nichts. Und das darf man nicht. Man darf nie ein Versprechen brechen, hörst du? Und Onkel Arik bricht alle.«
Bis Anastasia ihr die Kleine wegnahm.
»Erzähl ihr keinen Quatsch. Ich finde Arik schwer in Ordnung.«
» Du? Na, das ist ja mal ’ne Referenz.«
So viel zu diesem Verhältnis.
»Hey, ist ja fast alles schon fertig!«, staunt Uri.
»Gefällt es dir?«
Jehuda strahlt. Elei Sinai strahlt auch. So sauber und steril, als hätte eben erst jemand die Folie von den Häusern gezogen. Eine Ansammlung pieksauberer Eigenheimklone mit roten Dächern, Vorgärten, Zierbepflanzung und Treibhäusern in der Peripherie.
Nun, es ist nicht Jamit.
Es sind nicht die Mars-Chroniken.
Während Jamit nie über sich hinauswachsen konnte, versucht es Elei Sinai erst gar nicht. Kein kühner Entwurf, keine Neuerfindung des siedelnden Menschen. Kein Aufbruch. Wenn dieses ganz und gar makellose Dorf die Zukunft symbolisiert, dann ist die Zukunft ein Wartezimmer.
Jehuda zeigt Uri Treibhäuser, Verpackungsanlagen, Wasser- und Elektrizitätswerk, sie gehen den knappen Kilometer runter zum Strand, wo man den verlorenen Traum noch am ehesten weiterträumen kann. Sicher, Gaza hat was, aber gegen die schimmernde Makellosigkeit der Wüste wirkt der Landstrich doch eher wie ein fehlgeschlagenes Begrünungsexperiment. Der Sand durchsetzt mit fahlen Grasflicken, eine räudige Art der Vegetation, aus der neben kümmerlichen Bäumchen nur Laternenpfähle und Hochspannungsmasten herausstechen. Graue, verödet daliegende Straßen erinnern an Filme, in denen die Menschheit von einer plötzlichen Krankheit dahingerafft wurde. Dem trotzigen Gegenentwurf, einem knallbunten Spielplatz mit gelben, blauen und roten Rutschen, wohnt stille Verzweiflung inne.
Alles ist brandneu und sieht schon verlassen aus, bevor überhaupt jemand eingezogen ist.
Uri bewundert pflichtschuldigst sein Haus, es grenzt an das seiner Eltern, beide identisch bis auf den Dachziegel, die komplette Straße sieht so aus. Gepflegte, rotweiße Monotonie. Er wird aufpassen müssen, mit dem Schlüssel nicht in verkehrten Schlössern herumzufuhrwerken.
»Nehmt Anastasia nächste Woche mal mit«, sagt er und hofft beinahe, dass sie es nicht tun werden.
»Oh, Anastasia war vergangene Woche hier«, sagt Jehuda. »Hat sie’s dir nicht erzählt? Sie kann’s kaum erwarten.«
Uri fixiert seinen Vater, versucht Anflüge von Ironie auszumachen, doch er meint das tatsächlich todernst.
Kann’s kaum erwarten –
Na, wenn sie dir diesen Eindruck vermittelt hat, ist sie ja noch eine viel größere Schauspielerin, als ich dachte.
Für Yael wird es natürlich das Himmelreich sein.
Anastasia?
Die wird es hassen.
Klar kann sie es kaum erwarten, denkt er.
Von hier wegzukommen.
Und dann ist er auch schon wieder fort.
Zurück in den Libanon.
Phoebe zerdrückt ein paar Tränen, jeder Abschied nach Uris kurzen Heimaturlauben fällt ihr schwerer, reißt eine größere Lücke, die sich immer weniger füllen lässt, da kann sie noch so besessen Kräuter schneiden, Gemüse hacken, Farcen rühren und Filets marinieren. Unter ihren emsig flatternden Händen verwandelt sich Rachels bäuerliche Küche zusehends in eine Art Opiumhöhle, nur dass Phoebe sich am chemischen Zusammenwirken von Grundnahrungsmitteln, Gewürzen und Hitze berauscht, ihre Sinne mit Schmordüften von Fleisch, simmernden Fischen und exotischen Reduktionen benebelt. Ihre Experimentiersucht sprengt alle Grenzen, sie scheint sich der Aufgabe verschrieben zu haben, das kulinarische Erbe der Einwanderer in einen großen Zyklus zu überführen, die Einflüsse des Russischen, Ukrainischen, Arabischen, Senegalesischen, Französischen, Italienischen, Englischen, Amerikanischen und Deutschen zu etwas identitätsstiftend Israelischem zu verdichten, ein Hebräisch der Töpfe und Tiegel, ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, und genau darin liegt Phoebes Motivation, in der Unmöglichkeit.
Man kann über Sisyphos sagen, was man will, aber er muss sich niemals Gedanken machen, was er mit sich anfängt, nachdem er den Brocken zur Spitze gerollt hat.
Und Phoebe will nicht über Uri nachdenken.
Sie will nicht erreichbar sein für die Nachricht.
Immerhin ist ihre Methode im Resultat erfreulicher, als würde sie sich unter Bergen von Kissen vergraben.
Für alle.
Sie wuchten ordentlich Kilos auf ihre Hüften, und Jehuda macht die völlig neue und irritierende Erfahrung, dass sein Bauch, wenn er im Bett auf der Seite liegt,
Weitere Kostenlose Bücher