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Mal ist die Angst da. Angst, dass der Arzt in der Notaufnahme nicht mehr funktionieren könnte. Dass sein innerer Schutz zusammenbricht.
Was dann geschieht, daran mag er nicht denken.
Kfar Malal, August
Phoebe schnuppert an Auberginen, Zucchini, Mangos und Papaya.
»Hm. Tja. Keine Ahnung. Riech du mal.«
»Riecht doch gut.«
»Findest du?«
»Riecht, wie es riechen sollte. Oder?«
»Also, ich weiß nicht. Nein.«
Jehuda kann sich nicht erinnern, sie je so wählerisch erlebt zu haben. Wie eine Katze schleicht sie über die Marktstände, lässt sich hier und dort nieder, verschmäht das meiste dessen, was feilgeboten wird, packt das Erstandene mit leuchtenden Augen in ihre Tasche. Fast glaubt er, sie vor Befriedigung schnurren zu hören.
Die heiligste Handlung einer Mutter, deren Junge aus dem Krieg zurückkehrt?
Na?
Sie kocht ihm sein Leibgericht.
Überhaupt, kochen –
Den ganzen Sommer über hat Phoebe den Bienenstock, wie Rachel ihr Zusammensein in Kfar Malal nennt, bis zum Platzen gemästet, mit der manischen Besessenheit, die sie jedes Mal an den Tag legt, wenn sie die Wirklichkeit nicht zu nah an sich heranlassen will. Hat kontemplative Erfüllung gefunden beim Zerkleinern von Gemüse, Parieren von Fleisch, Reduzieren von Saucen. Über Rezeptbüchern meditiert, all ihr Sinnen auf den perfekten Garpunkt gelenkt, um möglichst nicht über Uri nachdenken zu müssen, der da in einem Panzer durch den Libanon rollt. Hat ihren Jungen durch Kochen herbeizuzaubern versucht, jedes Gericht eine Generalprobe für den Tag seiner Heimkehr, auch wenn es nur ein kurzer Urlaub sein wird und er Mitte der Woche schon wieder zurückmuss.
»Ich kann ihm auch noch seinen Aprikosenquark machen.«
Seinen fast ehrfürchtig ausgesprochen, als habe Uri den Aprikosenquark als solchen erfunden.
»Was immer du willst«, sagt Jehuda.
»Was immer er will.«
Aprikosen also. Halali, zur Jagd! Nicht lange, und einige Händler hier werden sich fragen, was jetzt mit ihren Aprikosen nicht in Ordnung war.
Das Beste ist gerade gut genug.
Recht hat sie.
»Wann kommt denn nun dein Vertrag?«, fragt Phoebe auf der Rückfahrt, endlich zum Themenwechsel bereit.
»Irgendwann in den nächsten Tagen.«
»Die lassen sich aber ganz schön Zeit.«
Die, damit ist die Staatliche Wasserversorgung gemeint. Wo sie Jehuda bereits im Frühjahr zugesichert haben, dass er das Bewässerungsmanagement in Gaza übernehmen wird.
»Kein Problem. Ich hab gestern mit dem Dezernenten telefoniert. Er meint, es gäbe einen Wechsel in der Führungsebene.«
»Und das bedeutet?«
»Nichts. Sie müssen halt warten, bis die neuen Briefköpfe fertig sind. Andererseits«, er lächelt ihr zu, »weiß man ja nie.«
»Drück dich klar aus, Licht meines Lebens.«
»Also, sie wollen Nordgaza zentralisieren. Das heißt, die Siedlungen dort werden nicht separat verwaltet, sondern alle einem einzigen Management unterstellt. In der Gesamtheit ist das zwar immer noch nicht Jamit, aber weit mehr als nur Elei Sinai.« Er macht eine Pause, kostet es aus. »Und mich haben sie dafür vorgeschlagen.«
»Aber das wäre ja fantastisch!«
»Und vor allem reine Formsache. Die oberste Heeresleitung mischt sich in derartige Personalbelange nicht ein. Wie gesagt, es wird einfach ein paar Tage länger dauern.«
»Weißt du schon, wer den Laden übernimmt?«
»Nein.« Er zuckt die Achseln. »Vielleicht dürfen sie aber auch noch nicht darüber reden.«
Phoebe macht Anstalten etwas zu sagen, zögert.
»Raus damit«, ermutigt Jehuda sie.
»Und wenn es nicht klappt?«
»Es wird klappen.« Er lacht. »Es muss klappen.«
Schon, weil es keine Alternative mehr gibt. Die Posten, die Netafim ihm bis zur Jahresmitte warmgehalten hatte, mussten besetzt werden. Also hat Jehuda vergangene Woche dort abgesagt.
Weil er weiß, dass es keine Probleme geben wird. Er ist der einzigeAnwärter. Die Verträge sind ausformuliert, sie müssen nur noch auf die richtigen Bögen gedruckt werden.
Dann wird eine Menge Arbeit auf ihn zukommen.
»Ist doch toll«, sagt Uri.
Sie sitzen zusammen um Rachels Küchentisch, pappsatt. Uri hat Unmengen Lamm-Schawarma in Tahinisauce verdrückt, gebutterten Blumenkohl, gefüllte Auberginen, Kartoffelbrei, gelbe und grüne Tomaten auf geröstetem Fladenbrot, und natürlich
Aprikosenquark.
In kompanietauglichen Mengen.
»Was ist toll?«, fragt Yael.
»Opa wird richtig viel Geld verdienen«, sagt Anastasia.
Hat sich ordentlich aufgebrezelt, Kim Wilde
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