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machen. Sie würden die Leute gar nicht erst auffordern, ihre Häuser zu verlassen, sondern ohne Vorwarnung Granaten reinwerfen und das Feuer eröffnen, wenn sie rausgerannt kämen. Er soll Jaron angewiesen haben, die Operation zu stoppen, und Jaron habe das auch brav an die Milizenführer in den Lagern weitergegeben.« Er lächelt. »Bald ist alles vorbei.«
Vielleicht, denkt Uri.
Was an Geräuschen aus den Lagern dringt, hört sich nicht so an, als wäre da was gestoppt worden.
Chaim schaut düster in seinen Tee.
Kippt den letzten Schluck herunter.
»Macht, was ihr wollt. Ich geh schlafen.«
Früh am nächsten Morgen lungern sie wieder auf ihrem Panzer herum.
Eitan, erfahren sie, habe auf Zeitungsanfragen erklärt, mit dem Einmarsch in Beirut einer Katastrophe zuvorgekommen zu sein. Zahal hätte Panik und Anarchie verhindert und die öffentliche Ordnung wiederhergestellt. Alles sei ruhig und unter Kontrolle.
Soso, unter Kontrolle.
Warum hört man dann immer noch Schüsse und Explosionen?
Unentwegt justieren sie ihre Feldstecher, aber die wenigen Höfe und Straßen, die sie einsehen können, bleiben menschenleer. Dafür steigt weiter hinten Rauch auf. Eines der hohen Gebäude, das den Widerständlern gestern noch als Schießstand diente, steht in Flammen.
Die PLO -Kämpfer müssten längst entwaffnet sein.
Andererseits, die Typen sind zäh. Schon möglich, dass es einigen bis jetzt gelungen ist, die christlichen Milizionäre auf Distanz zu halten.
»He!«
Uri wendet den Kopf. Leute mit Kameras bewegen sich auf den Eingang zu. Einer hat Newsweek auf der Jacke stehen. Soldaten laufen ihnen hinterher, schneiden ihnen den Weg ab.
»Bleiben Sie weg vom Eingang.«
Der vorderste Kameramann geht um die Soldaten herum, als seien sie nur eine hölzerne Barriere. Ehe sie sich’s versehen, hat er die Lagerschwelle überschritten. Ein anderer hält den Soldaten sein Mikro unter die Nase, versucht, ein paar O-Töne einzufangen. Sie schieben ihn weg. Aus dem Hintergrund lösen sich Falangisten, die nicht mit in die Lager gegangen sind, nehmen die Verfolgung des Newsweek -Mannes auf, versuchen, ihn am Ärmel festzuhalten. Er reißt sich los, weitere Korrespondenten dringen ein, auch israelische, wie Uri jetzt erkennen kann. Verschwinden außer Sichtweite, bis nur noch das wütende Schimpfen der Milizionäre zu hören ist.
»Uri. Da.«
Chaim deutet in die Wüste aus Baracken, die sich vor ihren Augen erstreckt. Uri folgt dem ausgestreckten Zeigefinger des Kommandanten. Zuerst weiß er nicht, wo er hinschauen soll, dann fängt sich sein Blick in einem der Hinterhöfe.
Der Hof füllt sich mit Menschen.
Nimmt den Feldstecher hoch.
Frauen. Kinder.
Acht, zehn. Nein, jetzt sind es zwölf. Mit erhobenen Händen verlassen sie eine schäbige Wellblechbaracke und reihen sich entlang der Rückwand auf. Christliche Milizionäre folgen ihnen, treiben sie nach draußen, gestikulierend, Gewehre schwenkend.
Eine der Frauen ist schwanger, wenn Uri sich nicht täuscht.
Hochschwanger sogar.
Fetzen von Gelächter wehen heran.
Uri sieht zu, wie die Gefangenen sich langsam mit dem Gesicht zur Mauer drehen. Ein kleiner Junge kommt der Aufforderung nicht nach, wird von einem der Milizionäre an der Schulter herumgerissen.
»Was soll denn dieser Blödsinn«, murmelt er. »Warum kümmern die sich nicht um –«
Als die Luft das Gewehrknattern zu ihnen heranträgt, liegen die Frauen und Kinder bereits am Boden. Übereinandergefallen wie Marionetten, deren Fäden man durchtrennt hat.
Uri braucht einen Moment, bis er begreift, was er da gesehen hat.
»Was machen die denn da?«, hört er Gidons entsetzte Stimme.
»Die haben sie erschossen«, sagt Chaim. »Die sind verrückt.«
Unfähig, den Feldstecher zu senken, sieht Uri die Falangisten wieder in der Baracke verschwinden. Ohne die Toten eines Blickes zu würdigen. Ohne etwas mitzunehmen. Sie haben einfach eben mal ein Dutzend Zivilisten erschossen.
Chaim hängt sich ans Funkgerät.
»Was? – Nein, ich werde nicht mit Ihnen sprechen. Ich verlange, dass Sie mir den Bataillonskommandanten geben. Augenblicklich!«
Es dauert.
Als sie den Kommandanten endlich in der Leitung haben, klingt er hörbar genervt.
»Ich weiß«, sagt er knapp.
»Sie wissen –«
»Was glauben Sie denn? Dass Sie der Einzige mit solchen Schauergeschichten sind?«
»Aber das ist nicht irgendeine Schauer geschichte.«
»Halten Sie sich da raus.«
»Das ist gerade vor unseren Augen passiert.
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