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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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und schaut wie betäubt auf das leere Display seines Handys.
    Um ihn herum geht die Arbeit weiter. Nachdem die meisten Palästinenser fortblieben, mussten sie asiatische und philippinische Gastarbeiter einstellen, aber immer noch halten ihnen viele die Treue, auch Ilias, dem es gesundheitlich gar nicht gut geht. Arthritis. Es ist Februar und unverhältnismäßig kühl, er sollte zu Hause im Warmen sitzen, stattdessen kümmert er sich Tag und Nacht um die Treibhäuser und scheint dabei stündlich krummer und langsamer zu werden.
    Um die drei Treibhäuser, die noch intakt sind.
    Eines haben palästinensische Freischärler letztes Jahr abgefackelt, das andere hat durch Mörserbeschuss Schäden davongetragen, aber wenigstens konnten sie einen Teil der Ernte retten.
    Elei Sinai musste manchen Angriff überstehen. Im Oktober 2001 ging es los, als bis an die Zähne bewaffnete Hamas-Attentäter dort eindrangen, sich eine heftige Schießerei mit Bewohnern und Sicherheitskräften lieferten, zwei Jugendliche töteten und 15 Menschen verletzten. Die Reaktion erfolgte prompt. Merkavas legten Polizeiwachen der PA in Schutt und Asche, Bulldozer walzten palästinensische Felder nieder, fünf Araber starben bei einem Angriff mit Panzergranaten, weitere wurden bei Feuergefechten getötet. Wiederum als Antwort nahmen Dschihadisten eine Joggerin aufs Korn – die Frau hatte nur zwei Häuser neben den Kahns gewohnt – und erschossen gleich danach den Mann, der ihr zur Hilfe eilen wollte.
    Die Spirale der Vergeltung schraubte sich unerbittlich nach oben, doch jetzt scheint das Schlimmste überstanden.
    Oder steht es noch bevor?
    Kann es sein, dass Jamit sich wiederholt?
    Zwei Luftschlösser, in denen dasselbe Gespenst sein Unwesen treibt?
    »Nein«, sagt Jehuda leise zu sich.
    Denn das wäre das Ende. Die Intifada hat sie beinahe ruiniert. Als Rachel vergangenes Jahr hochbetagt gestorben ist, mussten sie den Hof in Kfar Malal verkaufen, um die Verluste auszugleichen, der letzte Rückzugsort ist ihnen genommen.
    » NEIN «, sagt er noch einmal.
    Sein Nein verliert sich unter dem Glasdach.
    Die Träume von gestern werden die Albträume von morgen sein.
    Nichts hat sich geändert.

2011
Nablus, 8. November
    Als er aufwacht, ist der Platz neben ihm leer. Nur ihr Duft hat sich in den Kissen erhalten.
    Er ruft Mansour auf dem Handy an.
    »Wir sind oben.« Bester Laune. »Komm rauf.«
    Was immer Yael und Hanaan noch besprochen haben, zwischen ihnen ist eine behutsame Annäherung zu spüren, die über bloße Höflichkeiten hinausgeht. Mansour kann mit Details aufwarten.
    »Morgen um zwei fahren wir los. Davids Freund erwartet uns um drei unterhalb von Schima, wo die 317 auf die 60 stößt. Er bringt euch über den Checkpoint und weiter nach Eilat.« Legt einen Umschlag vor Yael hin. »10   000 Dollar. Zähl nach.«
    Yael zögert.
    »Wird schon stimmen.«
    »Doch, zähl nach.« Mansour lächelt, aber etwas Geschäftsmäßiges schwingt in seiner Stimme mit. »Der Ordnung halber.«
    Sie öffnet den Umschlag, lässt die Scheine am Daumen entlanglaufen.
    »10   000.«
    »Euer Ticket in die Freiheit.«
     
    Gegen Mittag kommen die Söhne der al-Sakakinis aus der Schule und erinnern sich des deutschen Fußballexperten. Der Erste, der ihrem Vater das Wasser reichen kann, was sie zu dem Schluss verleitet, er sei ein ebenso erfahrener Spieler.
    »Eindeutig nicht«, sagt Hagen.
    Sie nötigen ihn aufs Freigelände. Ein großes, brachliegendes Grundstück hinterm Haus. Bis die nächsten Wohnhäuser hier in die Höhe wachsen, nutzen sie das Areal als Sportplatz. Jacken und Schulranzen werden zu Torpfosten geschichtet, Hagen ist es nur recht. Irgendwie muss er die Zeit schließlich totschlagen, und nach zwei weiteren Stunden am Computer kann er sich eine Pause gönnen.
    Hanaan ist begeistert.
    »Bis morgen haben wir uns so an euch gewöhnt, dass wir euch gar nicht mehr weglassen wollen.«

    »Kommst du mit?«, fragt er Yael.
    Sie schüttelt den Kopf. Wirkt bedrückt. Kein Interesse, die Fußballbraut zu spielen, also geht er mit den Jungs alleine aufs Feld.
     
    Yael geistert durch die leeren Räume. Von ihrer in seine Wohnung. Streckt sich auf Hagens Luftmatratze aus.
    Peinlich, irgendwie.
    Was hat sie bloß geritten, in der Nacht zu ihm ins Bett zu kriechen wie ein verängstigtes Kind?
    Aber genau das ist sie.
    Ein verängstigtes, erwachsenes Kind. Kinder ängstigen sich vor dem Unbekannten, Erwachsene vor ihren Erinnerungen, die intimste Form der

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